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Unfaire Handelspraktiken: EDEKA muss Zahlungsziele gegenüber Molkereigenossenschaft auf 30 Tage reduzieren

Der Fall scheint klar: EDEKA ließ sich von einer Lieferantin für frische Milch- und Sahneprodukte Zahlungsziele von deutlich über 30 Tagen einräumen. Ein deutlicher Verstoß gegen die verbindliche Höchstgrenze von 30 Tagen für verderbliche Produkte nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 AgrarOLkG, sollte man meinen. Der deutsche Gesetzgeber hat in seiner Suche nach der gerechtesten aller gerechten Lösungen jedoch eine so komplizierte Umsatzschwellenregelung für die Anwendung des Verbots gesucht und gefunden, dass die zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in ihrer Entscheidung gegen EDEKA einen Fachaufsatz über verbundene Unternehmen im Sinne des Art. 3 Abs. 3 UAbs. 4 KMU-Empfehlung vorlegen musste. Unser Blogbeitrag liefert Hintergründe und praktische Folgen der sehr relevanten Entscheidung der BLE gegen EDEKA.

Hintergründe des Verfahrens.

Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung („BLE“) hat eine Entscheidung gegen die EDEKA Zentralhandelsgesellschaft mbH („EDEKA“) wegen Verstößen gegen das Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG) veröffentlicht.

Gegenstand der Entscheidung sind Vereinbarungen, die EDEKA mit einer Lieferantin von frischen Milch- und Sahneprodukten für die Jahre 2021, 2022 und 2024 getroffen hat. In diesen Vereinbarungen hat sich EDEKA Zahlungsziele von mehr als 49 Tagen für die Bezahlung dieser Erzeugnisse eingeräumt.

Die BLE sieht darin einen Verstoß gegen § 23 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 a) AgrarOLkG i.V.m. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AgrarOLkG, wonach für verderbliche Agrar-, Fischerei- oder Lebensmittelerzeugnisse eine Zahlungsfrist von maximal 30 Tagen nach der Lieferung gilt. EDEKA argumentiert dagegen, dass das AgrarOLkG im Verhältnis zu der Lieferantin nicht anwendbar sei, da deren Umsatz mehr als 20% des relevanten EDEKA-Umsatzes betrage.

Tatsächlich gilt das Verbot von längeren Zahlungszielen als 30 Tagen nur zwischen Lieferanten von Milchprodukten (oder Fleisch-, Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukten, einschließlich Kartoffeln) nur dann, wenn der Lieferant in dem jeweiligen Segment in Deutschland einen Jahresumsatz von höchstens EUR 4 Mrd. aufweist (dies war hier der Fall), und der weltweite Gesamtumsatz des Lieferanten maximal 20% des weltweiten Gesamtumsatzes des Käufers beträgt (§ 10 Abs. 1 S. 2 AgrarOLkG).

Letzteres war im vorliegenden Fall nur dann gegeben, wenn man EDEKA den Umsatz der vermeintlich selbstständigen EDEKA-Kaufleute zurechnen konnte. Diese Zurechnung erfolgt gemäß § 10 Abs. 2 AgrarOLkG nach den Regelungen der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen („KMU-E“). Folglich musste sich die BLE umfänglich mit den Voraussetzungen der Zurechnung der Umsätze beschäftigen.

EDEKA als „wirtschaftliche Einheit verbundener Unternehmen“?

Die BLE ist der Auffassung, dass für die Berechnung des EDEKA-Umsatzes der gesamte EDEKA-Verbund als verbundenes Unternehmen im Sinne des Art. 3 Abs. 3 UAbs. 4 KMU-E zu betrachten ist, einschließlich der selbstständigen EDEKA-Einzelhändler.

Zunächst verweist die BLE auf die engen Verflechtungen innerhalb des EDEKA-Verbunds. Die selbstständigen EDEKA-Einzelhändler (SEH) halten über ihre regionalen Genossenschaften sämtliche Anteile an den Großhandelsbetrieben und der EDEKA ZENTRALE. Diese wiederum ist an den Großhandelsbetrieben beteiligt. Dadurch gehört der EDEKA-Verbund letztlich „sich selbst“ und damit wirtschaftlich den SEH gemeinsam.

Ein weiteres zentrales Argument ist die einheitliche unternehmensstrategische Leitung durch die EDEKA ZENTRALE. Diese koordiniert die Strategie für den gesamten Verbund, steuert das nationale Warengeschäft und gibt Impulse für verbundübergreifende Ziele. Die SEH als Eigentümer haben sich diese einheitliche Leitung gegeben und sich ihr unterworfen.

Besonders relevant ist laut BLE auch der zentrale Einkauf innerhalb des EDEKA-Verbunds. Der Großteil des Einkaufs erfolgt gebündelt, wodurch die SEH für nationale Lieferanten als potenzielle Absatzalternative wegfallen. Die Einkaufsstrategie wird von der EDEKA ZENTRALE vorgegeben und einheitlich umgesetzt.

Zudem verweist die BLE auf die einheitliche Handelsmarkenstrategie, die einheitliche Außendarstellung des Verbunds sowie das arbeitsteilige Handeln und gemeinsame Tragen von Kosten. So tritt EDEKA nach außen als geschlossene Einheit auf, die Unternehmen handeln abgestimmt und es gibt eine Vergemeinschaftung von Kosten.

In der Gesamtschau dieser Umstände kommt die BLE zu dem Schluss, dass die Unternehmen des EDEKA-Verbunds nicht als wirtschaftlich unabhängig angesehen werden können, sondern als verbundene Unternehmen im Sinne der KMU-E.

Zutreffend weist die BLE auch darauf hin, dass das kartellrechtliche Konzept der Umsatzzurechnung über die wirtschaftlichen Einheit nach § 36 Abs. 2 GWB und §§ 17, 18 AktG anderen Regeln folgt als das AgrarOLkG mit § 10 Abs. 2 AgrarOLkG und dem dortigen Verweis auf die KMU-E. Ebenso zutreffend verweist die BLE auf die Feststellungen des Bundeskartellamtes, wonach es sich bei EDEKA ohnehin auch um eine wirtschaftliche Einheit im kartellrechtlichen Sinne handle. Andernfalls müsste sich EDEKA auch am Kartellverbot nach § 1 GWB messen lassen.

Entscheidung belegt Kaskadeneffekt.

Die Entscheidung belegt zudem den Kaskadeneffekt entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette. Dieser besagt, dass durch Ausnutzung von Verhandlungsmacht durchgesetzte unlautere Handelspraktiken auf Ebene des Handels und der Lieferanten von letzteren an die Erzeuger weitergereicht werden. Der Kaskadeneffekt rechtfertigt damit die Einbeziehung der nachgelagerten Marktstufen entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette zum Schutze der landwirtschaftlichen Erzeuger.

In der vorliegenden Entscheidung hat die BLE ausdrücklich festgestellt, dass die längeren Zahlungsziele, die sich EDEKA hat einräumen lassen, zu erhöhten Finanzierungskosten bei der Lieferantin geführt haben, und so schließlich eine Schmälerung des an die Landwirte ausgezahlten Milchgeldes bewirkten.

Entgegen den ständigen Beteuerungen des Handels zeigt die aktuelle Entscheidung, dass es den Kaskadeneffekt eben doch gibt und dass dessen Abstellung den Interessen der vom AgrarOLkG geschützten landwirtschaftlichen Erzeuger dient.

Umsatzschwellenregelung ist aufwändig und willkürlich.

Die Entscheidung zeigt zudem, dass die Umsatzschwellenregelung in § 10 Abs. 2 AgrarOLkG als Proxy für die Bestimmung der Ausnutzung von Marktmacht ungeeignet, aufwändig und willkürlich ist und Deutschland besser dem Beispiel anderer EU-Mitgliedstaaten gefolgt wäre.

Der zu betreibende Aufwand wird durch die rechtliche Begründung der BLE für die Einstufung EDEKAs als verbundenes Unternehmen belegt. Für betroffene Lieferanten, deren Geschäftszweck nicht die rechtliche Bewertung der Umsatzberechnung von Unternehmensverbänden ist, stellt dies eine erhebliche rechtliche Zugangshürde dar. Der damit verbundene Aufwand und die rechtliche Unsicherheit trifft auf den ohnehin bestehenden Angstfaktor der Lieferanten, sich gegen führende Lebensmitteleinzelhändler („LEH“) zu wehren.

Dass die Umsatzschwellenregelung willkürlich ist, folgt schon aus der Entscheidung selbst. Denn diese stellt für die Jahre 2021, 2022 und 2024 einen Verstoß gegen die Zahlungsziele fest, nicht aber für 2023. Augenscheinlich hat die Lieferantin in 2023 die 20%-Hürde gerissen. Dass sich in diesem Jahr an dem Verhandlungsungleichgewicht etwas geändert haben soll, erscheint unlogisch. Und warum die Landwirte eine Erlösschmälerung hinnehmen müssen, weil EDEKA ein schlechteres Jahr in eventuell völlig anderen Segmenten hatte, erschließt sich ebenfalls nicht.

Praktische Folgen für Lieferanten und Käufer.

Die BLE selbst betont, dass die Entscheidung Signalwirkung auch für andere Unternehmensverbünde im LEH-Bereich hat, namentlich REWE, ALDI NORD und ALDI SÜD sowie die Schwarz-Gruppe (LIDL und Kaufland).

Lieferanten insbesondere von Milch- und Fleischprodukten sowie von Obst-, Gemüse- und Gartenbauprodukten einschließlich Kartoffeln sollten detailliert prüfen, ob sie von der Entscheidung profitieren und gegenüber den Handelskonzernen das Verbot überlanger Zahlungsziele und andere Verbote des AgrarOLkG geltend machen können. Im Falle von Verstößen sind auch anonyme Beschwerden bei der BLE denkbar.

EDEKA kann die Entscheidung vor dem OLG Düsseldorf anfechten. In dem Fall dürfte es interessant sein, zu beobachten, wie sich EDEKA aus der Zurechnung der verbundenen Unternehmen nach der KMU-E herausdefiniert, ohne zugleich keine wirtschaftliche Einheit im kartellrechtlichen Sinne mehr zu sein. Denn in letzterem Fall fände das Kartellverbot uneingeschränkt Anwendung auf EDEKA bis hin zur Folge einer Entflechtung.


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