Frankreich hat sein Zivilrecht umfassend reformiert. Ausdrückliches Ziel war es dabei, das napoleonische Werk zu modernisieren und dadurch die Attraktivität des französischen Rechts im internationalen Vergleich zu steigern. In der Tat führt die Novellierung zu einer gesteigerten Verständlichkeit des Textes und fördert damit die Transparenz. Sie dürfte das internationale Vertragsmanagement vereinfachen. Zwei Beispiele:

Abbruch von vorvertraglichen Verhandlungen.

Das neue Vertragsrecht bestätigt den Grundsatz der Vertragsfreiheit, und damit auch der Freiheit, einen Vertrag nicht abzuschließen: „Die Initiierung, der Ablauf und der Abbruch der vorvertraglichen Verhandlungen sind frei“ (Art. 1112 Abs. 1 S. 1 neu).

Eine Partei soll daher nur ausnahmsweise Schadensersatzansprüche wegen des Abbruchs von Verhandlungen geltend machen können (Art. 1112 Abs. 2); dafür muss sie eine konkrete Pflichtverletzung bei der Ausübung des Lösungsrechts (Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben) nachweisen.

Der Abbruch selbst wird dabei nicht sanktioniert, was erhebliche Folgen für den Begriff des ersatzfähigen Schadens hat. Die Vorteile, die eine Partei vom Abschluss des Vertrages erwartete und die ihr durch den Abbruch entgehen, stellen keinen ersatzfähigen Schaden dar. Damit schließt der französische Gesetzgeber die Erstattung des positiven Interesses ausdrücklich aus.

Diese Lösung wurde zwar bereits von der Rechtsprechung entwickelt und ist daher nicht völlig neu. Durch die Novellierung hat diese jedoch eine normative Grundlage (Art. 1112 neu) gefunden; der Text ist klar, die Rechtssicherheit erhöht.

Vertragsanpassung bei unvorhersehbarer Änderung der Umstände.

Der neue Art. 1195 führt eine für die Philosophie des französischen Rechts wesentliche Neuerung ein, indem er zum ersten Mal Vertragsanpassungen bei nachträglicher wesentlicher Änderung der Umstände ermöglicht.

Voraussetzungen:

  • Die Änderungen der Umstände dürfen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbar gewesen sein;

  • Die betroffene Partei hat deren Risiko nicht übernommen;

  • Die Änderungen müssen die Erfüllung des Vertrages unverhältnismäßig teuer machen.

Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist die betroffene Partei berechtigt, eine Neuverhandlung des Vertrages zu verlangen. Während der Neuverhandlung ist sie jedoch weiterhin verpflichtet, ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen.

Die Gesetzesbegründung erwähnt für den neuen Art. 1195 den Willen, sich anderen europäischen Rechtsordnungen anzunähern. Dies erklärt eine gewisse Ähnlichkeit mit § 313 des deutschen BGB.

Die Ähnlichkeit endet allerdings bei den Rechtsfolgen eines Scheiterns der Verhandlungen. In einem solchen Fall müssen sich die Parteien entweder auf eine Aufhebungsvereinbarung einigen oder den Richter mit der Vertragsanpassung gemeinsam beauftragen. Können sich die Parteien weder auf eine Aufhebungsvereinbarung noch auf die gemeinsame Beauftragung einigen, so kann jede Partei Klage erheben und das angerufene Gericht kann den Vertrag anpassen oder beenden; die Bedingungen werden vom Gericht autonom festgelegt. Ein einseitiges Kündigungsrecht einer Partei besteht im Rahmen des Art. 1195 allerdings nicht.

Dieser Mechanismus wird in der Praxis sehr kompliziert und aufwendig. Es empfiehlt sich daher weiterhin, Anpassungsmechanismen und Kündigungsrechte ausdrücklich im Vertrag zu regeln.