Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29. Mai 2024, Az. I ZR 43/23) wirft erneut ein Schlaglicht auf sog. Mogelpackungen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass durch die Gestaltung der (überdimensionierten) Verpackungsgröße über die tatsächliche Füllmenge des Produktes getäuscht wird. Im Folgenden stellen wir die wesentlichen Erwägungen und Folgen für die Praxis dar.

Was hat der Bundesgerichtshof entschieden?

Laut Bundesgerichtshof ist eine Verpackung eines Produkts in der Regel als unzulässige Mogelpackung einzustufen, wenn sie nur zu etwa zwei Dritteln (oder weniger) gefüllt ist und somit nicht in einem angemessenen Verhältnis zur darin enthaltenen Füllmenge steht. Entscheidend seien jedoch stets die Umstände des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere das konkrete Produkt und die Gestaltung der jeweiligen Verpackung. Maßgeblich sei, ob der Verkehr bei dem jeweiligen Produkt die Vorstellung habe, dass die Größe der Verpackung in einem angemessenen Verhältnis zur Menge des darin enthaltenen Produkts stehe.

Nach der neuen Entscheidung des BGH sollen diese Grundsätze sowohl im Onlinehandel als auch im stationären Handel (Ladengeschäft) gelten. Denn unabhängig vom Vertriebsweg sei der wettbewerbsrechtliche Schutzzweck betroffen. Im Ergebnis bejahte der BGH daher (im Gegensatz zu den Vorinstanzen) im konkreten Fall eine Verbrauchertäuschung. Die Verpackung suggeriere eine vollständige Befüllung. Denn das auf der Internetseite des Herstellers beworbene Herrenwaschgel zeichnete sich dadurch aus, dass die Tube nur im durchsichtigen Bereich mit Waschgel befüllt war, nicht aber im oberen, nicht durchsichtigen Bereich.

Zum Vergleich: Im Falle des stationären Vertriebs einer Gesichtscreme mit überdimensionierter Pappverpackung hatte der BGH zuletzt eine Verbrauchertäuschung aufgrund des klarstellenden Hinweises verneint (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2017 - Az. I ZR 78/16). Eine Fehlvorstellung liege nicht vor, da sich auf der Verpackungsseite eine Abbildung des enthaltenen Tiegels mit dem Hinweis: „Die Produktabbildung entspricht der Originalgröße” befand. Der BGH ging für die konkrete Produktart (Gesichtscreme) davon aus, dass der Verbraucher diesen Hinweis auch zur Kenntnis nehme, da der Verbraucher in der Regel die Verpackung in die Hand nehme und u.a. Hinweise auf die Zusammensetzung suche.

Mogelpackungen - Folgen für die Praxis.

Der BGH verdeutlicht mit seinem neuen Urteil erneut, dass die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Mogelpackungen kritisch zu sehen ist.

Auch bei den Verbraucherschutzverbänden steht das Thema „Shrinkflation“ im Fokus. Bei dem Verdacht einer Mogelpackung fordern diese Verbände Unternehmen vermehrt zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Insoweit sollten Unternehmen die Art der Umverpackung anhand des jeweiligen Produkttyps für alle Vertriebswege sorgfältig überprüfen. Denn ist die Produktverpackung übermäßig groß, obwohl sie nur eine geringe Füllmenge enthält, besteht das Risiko einer Verbrauchertäuschung. Eine solche Mogelpackung kann auch dann vorliegen, wenn Produkte zwar nicht zusätzlich verpackt, aber nur teilweise befüllt sind. Inwieweit ein zusätzlicher Hinweis eine Einstufung als unzulässige Verbrauchertäuschung vermeiden kann, hängt von der jeweiligen Produktart sowie Art und Aufmachung des Hinweises ab.

Mehr zum Thema finden Sie außerdem in diesem Blogbeitrag: https://www.schulte-lawyers.com/schulteblog/shrinkflation


Dr. Kim Manuel Künstner hat als Sachverständiger im Bundestag und Gutachter des Landwirtschaftsministeriums NRW die Umsetzung der UTP-Richtlinie in das AgrarOLkG eng begleitet und berät Lieferanten und Käufer entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette zu allen Fragen rund um unlautere Handelspraktiken und Lebensmittelkartellrecht.

Juliane Suhr ist schwerpunktmäßig in den Bereichen Handels- und Gesellschaftsrecht, M&A und Wirtschaftsrecht tätig. Sie berät nationale und internationale Unternehmen bei der Optimierung von Gesellschaftsstrukturen, der Umsetzung von Zusammenschlussvorhaben sowie der Gestaltung und Verhandlung von Wirtschaftsverträgen.

 

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