AB InBev muss die Zeche zahlen – EU-Kommission verhängt Bußgeld von über EUR 200 Mio. wegen Marktmachtmissbrauchs.
Die EU-Kommission hat gegen die belgische Brauerei AB InBev ein Bußgeld von mehr als EUR 200 Mio. wegen des Missbrauchs von Marktmacht zur Abschottung des belgischen Biermarkts verhängt. Die in Belgien marktbeherrschende Großbrauerei hatte nach Überzeugung der EU-Kommission durch verschiedene tatsächliche Maßnahmen (Produktdesign, Verpackungsgestaltung) und die Gestaltung ihres Vertriebssystems versucht, den (Re-)Import von Bier aus den Niederlanden zu verhindern.
Die EU-Kommission nennt vier konkrete Maßnahmen, die insgesamt einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung bilden:
- Änderung von Verpackungsform und der verwendeten Sprache um den Vertrieb in Belgien zu erschweren,
- Begrenzung der Liefermengen in die Niederlande,
- Koppelung der Versorgung von Einzelhändlern mit belgischem Bier an die Zusicherung der Händler, den (Re-)Import aus den Niederlanden zu begrenzen,
- Schaffung von Anreizen niederländischen Händlern, Bier nicht nach Belgien zu exportieren.
Die Kommission hat nicht dazu Stellung bezogen, ob auch einzelne der vorstehenden Maßnahmen alleine bereits geeignet gewesen wären, den Vorwurf des Marktmachtmissbrauchs zu tragen.
Fazit: Die Ausgestaltung des Vertriebssystems bei marktbeherrschenden Unternehmen erfordert im Ganzen viel Fingerspitzengefühl. Gerade bei Vertriebssystemen, die ohne entsprechende Rechtfertigung dazu führen, dass sich auf Märkten verschiedener Mitgliedstaaten verschiedene Bedingungen einstellen ist besondere Vorsicht geboten. Da die Problematik der Abschottung nationaler Märkte geradezu ein Klassiker des EU-Kartellrechts ist, könnte die Vermutung nahe liegen, dass AB InBev hier schlicht das eigene Risiko unterschätzt hat.
Weit weniger im Fokus vieler Unternehmen ist die Marktabschottung gegenüber Staaten, die nicht EU-Mitglied sind. So geht etwa die schweizerische Wettbewerbskommission (WEKO) traditionell hart gegen den Versuch vor, Parallelimporte zu erschweren. Auch in Österreich gab es kürzlich eine neue Entscheidung des Kartellobergerichts zur Aufteilung von Märkten, bei der nicht Teilmärkte in der EU, sondern die EU als einheitlicher Markt einem Gesellschafter eines Gemeinschaftsunternehmens zugeordnet worden war.
EU-Kommission und französische Behörden durchsuchen Lebensmitteleinzelhändler.
Mitarbeiter der EU-Kommission und der französischen Wettbewerbsbehörde Autorité de la concurrence haben Lebensmitteleinzelhändler in Frankreich durchsucht, offenbar wegen Kartellverdachts.
Obwohl mit der Durchsuchung, wie die EU-Kommission nochmals ausdrücklich betont keine Aussage zu einer möglichen Verantwortlichkeit für einen Kartellrechtsverstoß verbunden ist, sollten Lieferanten und Kunden aufmerksam bleiben.
Fazit: die Durchsuchungen erfolgten zeitlich in engem Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Richtlinie über unfaire Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (UTP-Richtlinie). Die Richtlinie, die in ihrem Kern das Übergewicht der Handelsseite im Lebensmittelsektor adressieren soll(te), (siehe Blogbeitrag) verschärft die Bedingungen, unter denen besonders große Einzelhändler Geschäfte machen werden von Seiten des Normgebers, laufende Verfahren von Seiten der ausführenden Stellen. Insgesamt dürften besonders größere Einzelhändler gut beraten sein, ihre Prozesse unter diesen Gesichtspunkten sorgfältig zu konzipieren und zu strukturieren.
Keine sichere Bank – EU-Kommission verhängt Bußgelder von insgesamt über EUR 1 Mrd. gegen Banken wegen Beteiligung an einem Kartell im Devisenkassahandel
Die EU-Kommission hat gegen Barclays, The Royal Bank of Scotland (RBS), Citigroup und JPMorgan MUFG Bank in zwei Beschlüssen Bußgelder in Höhe von insgesamt mehr als EUR 1 Mrd. verhängt.
Die Beschlüsse die Kartelle mit blumigen Namen betreffen („Three-Way-Banana-Split-Kartell“ und „Essex-Express-Kartell“) befassen sich mit komplexen Fragen des Austauschs von Informationen mit Bezug zu Währungskursen. Obwohl die zugrundeliegenden Mechanismen – nämlich die Verringerung von Unsicherheiten beim Währungshandel – komplex sind, war das Kartell an sich simpel: man hatte bereits privilegiertes Sonderwissen und traf sich in Chatrooms mit originellen Namen (die Kommission berichtet etwa von „Essex Express ‘n the Jimmy“, nach einem der beteiligten Banker, Jimmy, und seinen Freunden aus Essex) um eigene Wissenslücken zu schließen oder die Grundlagen für eine gegenseitige Rücksichtnahme zu legen.
Besonders gut scheint sich die UBS verhalten zu haben, die das Kartell gegenüber der EU-Kommission als Kronzeugin aufdeckte. Die Kommission weist in ihrer Pressemitteilung eine – freilich rechnerische – Gesamtermäßigung des Bußgelds um 110% (100% für die Kronzeugenstellung und 10% nach der Vergleichsmitteilung) aus.
Fazit: Die Beschlüsse zeigen – erneut – das Funktionieren der Kronzeugenregelungen. Diese allein ist freilich keine Neuigkeit. Auch das schiere Volumen der Bußgelder trotz Ermäßigung (Barclays etwa erreichte 50% und 10% Ermäßigung und soll dennoch über EUR 200 Mio. bezahlen) dürfte zu einem erheblichen Teil auf das Umsatzvolumen der Teilnehmer und die Laufzeit von mehr als zwei Jahren zurückzuführen sein. Für Marktteilnehmer allerdings wird erneut die Notwendigkeit deutlich, gerade auch hochspezialisierten Mitarbeitern, die im Wettbewerb mit Handelsaktivitäten betraut sind, auf die Finger zu schauen.
Irische Autoversicherer auf dem falschen Wege? – EU-Kommission eröffnet Ermittlungen zum Datenpoolingsystem.
Die EU-Kommission hat Ermittlungen zum Datenpooling irischer KFZ-Versicherer eingeleitet.
Die EU-Kommission ist besorgt, dass die Zusammenlegung und der Austausch von Daten in einem Datenpool wettbewerbsschädigende Effekte gehabt haben könnte. Grundsätzlich ist die Kombination von Marktdaten durch Wettbewerber an sich ein risikogeneigtes Gebiet. In dem hier konkret gegebenen Fall scheint sich das Misstrauen der EU-Kommission aber nicht aus Art und Umfang des Austausches, sondern aus den Bedingungen zur Nutzung des Datenpools zu speisen.
Fazit: Die Pressemitteilung lässt einigen Interpretationsspielraum. Allerdings könnte der Fall das Potential für eine weitere intensive Auseinandersetzung mit der Einordnung wettbewerbsrelevanter Datenmengen haben, geht es der Kommission doch um mögliche Wettbewerbsnachteile von Außenseitern. Etwa im Fall Apple/Shazam war die Herrschaft über marktrelevante Datenmengen zwar relevant, aber im Ergebnis blieb es beim Einsatz des eher „traditionellen“ Werkzeugkastens. Hat der nun vorliegende Sachverhalt das Potential zu einer weiteren Auseinandersetzung zum Problem der „Daten(zugriffs)macht“? Unternehmen tun in jedem Fall gut daran, frühzeitig bei der Konzeption von Kooperationsprojekten mit Informationsaustausch die potentiellen kartellrechtlichen Implikationen zu berücksichtigen.