Wer verleast sündigt nicht? – LG Stuttgart positioniert sich zu Kartellschadensersatz bei Leasing.
Das LG Stuttgart hat in einer neuen Entscheidung (LG Stuttgart, Urteil vom 06. Juni 2019 – 30 O 38/17) entschieden, dass auch der Leasingnehmer Anspruch auf Kartellschadensersatz haben kann, wenn er ein Fahrzeug durch Vollamortisationsleasing erworben hat.
Die Frage, wie umfassend der Vortrag bei Leasing sein muss, stellt sich in der Praxis sehr häufig. Unternehmen, insbesondere Spediteure, erwerben LKW häufig nicht durch einfachen Kauf, sondern leasen sie. Kunden erwerben die LKW nicht von einem der kartellbeteiligten Unternehmen, sondern mittelbar über ein Leasingunternehmen.
Allgemein tritt ein Leasinggeber in den mit dem Hersteller (oder Verkäufer) geschlossenen Kaufvertrag ein. Der Leasinggeber kauft dann den LKW, erwirbt das Eigentum und reicht den LKW an den Unternehmer (Leasingnehmer) durch. Gleichzeitig wurde beständig die Auffassung vertreten, es handle sich um einen Fall des mittelbaren Erwerbs. Dabei aber komme es darauf an, ob der Leasinggeber seinerseits unter Berücksichtigung der Marktmechanismen eine etwaige kartellbedingte Preiserhöhung weitergeben konnte.
Für den Fall des sogenannten Vollamortisationsleasings, bei dem die Leasingraten den Kaufpreis abdecken, kommt das LG Stuttgart nun zum Ergebnis, dass auch dann ein Anspruch des Leasingnehmers bestehen kann, wenn dieser den LKW von einem rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Leasinggeber erworben hat.
Fazit: das Ergebnis des LG Stuttgart ist richtig. Die Überlegung, ein Leasinggeber würde in einen Kaufvertrag eintreten und dabei den Kartelleffekt selbst übernehmen, liegt fern. Dies würde bedeuten, dass er den LKW günstiger verleast, als er ihn selbst erworben hat. Dann aber würde er ein Verlustgeschäft betreiben. Anders als andere Zwischenhändler hat der Leasinggeber bezogen auf den Verkaufspreis in der beschriebenen Konstellation keinen Preissetzungsspielraum. Selbst wenn er also die Gesamtleistung rabattieren würde, würde er bis zur Verlustgrenze ausschließlich von seinen eigenen Leistungsbestandteilen (Servicegebühren, Zusatzleistungen) abgeben, was für den Verbleib des Kartellschadens nicht relevant ist.
Fünf Sterne? – Bundeskartellamt leitet Sektoruntersuchung zu Nutzerbewertungen im Internet ein.
Das Bundeskartellamt hat eine Sektoruntersuchung zu Nutzerbewertungen im Internet eingeleitet. Das Amt macht damit von der Befugnis Gebrauch, auch bei der Verletzung von Verbraucherschutzvorschriften eine Sektoruntersuchung durchzuführen.
Anlass für die Einleitung der Sektoruntersuchung waren offenbar Informationen (unter anderem aus der Presse) denen zufolge Nutzerbewertungen häufig nicht authentich sein sollen.
Die Aufgabe, nicht authentische Inhalte im Internet wirksam zu bekämpfen, dürfte über die Ausstattung des Bundeskartellamts freilich hinausgehen. Die Wahl ausgerechnet von Nutzerbewertungen (von Waren und Dienstleistungen?) begründet das Bundeskartellamt damit, dass durch die Bewertungen Verbraucher zu falschen geschäftlichen Entscheidungen verleitet zu werden drohen.
Fazit: Die (Fort-)entwicklung des Bundeskartellamts zu einer Verbraucherschutzbehörde wird durch die Aktivitäten des Amtes in diesem Bereich vorangetrieben. Auf Tagungsbeiträgen vernimmt man bereits, das Entstehen einer Verbraucherschutzbehörde sei ohnehin nicht mehr aufzuhalten, dann solle es wenigstens das mit Marktmechanismen vertraute Bundeskartellamt sein. Dem kann man freilich entgegenhalten, das Amt solle sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Im Ergebnis müssen sich Unternehmen aber absehbar darauf einstellen, dass Verbraucherrechte nicht mehr nur von den – ohnehin bereits aktiven – Verbänden wahrgenommen werden. Jedenfalls im Bereich der „Großwildjagd“ (also bei erheblichen Verstößen großer Marktteilnehmer) wird absehbar auch eine staatliche Behörde mitmischen.
Mehr zum Thema Bundeskartellamt und Bereich Verbraucherschutz im Beitrag von Dr. Kim Manuel Künstner in der Zeitschrift für Rechtspolitik.
Gemischte Chips – EU-Kommission leitet Ermittlungen gegen Broadcom wegen möglichem missbräuchlichem Verhalten bei Chipsätzen für Geräte ein.
Die EU-Kommission hat gegen Broadcom wegen eines möglichen missbräuchlichen Verhaltens Ermittlungen eingeleitet und zugleich auf die Option vorläufiger Maßnahmen zur Vermeidung nicht wiederherstellbarer Schäden für den Wettbewerb verwiesen.
Anlass für das Tätigwerden der EU-Kommission sind verschiedene Ausschließlichkeitsbindungen, derer sich Broadcom im Verhältnis zu seinen wichtigsten Abnehmern bedient. Boradcom bietet verschiedene Chipsätze an, unter anderem für Set-Top Boxen und Geräte, die Drahtlose Netzwerke (W-LAN) herstellen.
Die EU-Kommission kommt zu dem vorläufigen Ergebnis, dass die Praktiken von Broadcom dazu führen, dass Wettbewerb zwischen Broadcom und anderen Herstellern durch die verwendeten Vertragsbedingungen ausgeschlossen und die Auswahl zwischen verschiedenen Anbietern beschränkt wird.
Fazit: Die EU-Kommission sieht hier in einer jüngeren Marktbeherrschungskonstellation die Notwendigkeit einstweiliger Maßnahmen gegen eine Ausschließlichkeitsbindung. Letztere kann ein klassisches Werkzeug sein, um einen bereits stark konzentrierten Markt zu monopolisieren. Gerade im EU-Recht sind marktbeherrschende Unternehmen hohen Verhaltensanforderungen unterworfen. Sowohl die nachträgliche Verstärkung der Marktposition als auch eine Fehleinschätzung von Auswirkungen der Vertragsgestaltung können ein Unternehmen ins Fadenkreuz bringen. Unternehmen sind daher gut beraten, gerade auch in Teilmärkten ihre Marktanteile im Auge zu behalten und einen guten Überblick über verwendete Vertragsklauseln gerade bei Altverträgen zu behalten.