Der vorliegende 18. Blogbeitrag knüpft an den 17. Blogbeitrag an, der die Zulässigkeit eines Antrags auf vorzeitige Löschung wegen Selbstreinigung sowie die erforderlichen Schadensausgleichsmaßnahmen zum Thema hatte. Er beschäftigt sich mit der für eine Löschung notwendigen umfassenden Kooperation mit den Behörden sowie den erforderlichen technischen, organisatorischen und personellen (Compliance-)Maßnahmen.

Umfassende Klärung der Tatsachen und Umstände.

Neben der Schadlosstellung der Geschädigten, müssen die von einer Eintragung im Wettbewerbsregister betroffenen Unternehmen aktiv mit den Ermittlungsbehörden und der Registerbehörde zusammenarbeiten, um den Sachverhalt aufzuklären. Der Umfang dieser Aufklärungsmaßnahmen ist im Einzelfall zu bestimmen, wobei eine geständige Einlassung und – im Fall von Kartellordnungswidrigkeiten – ein Antrag auf Kronzeugenbehandlung (sogenannte Bonusregelung) als Anhaltspunkt für die Kooperationsbereitschaft gewertet werden soll. Die Zusammenarbeit mit der Ermittlungsbehörde ist im Antrag übersichtlich zusammenzufassen. Gegen eine umfassende Zusammenarbeit mit den Behörden soll insbesondere sprechen:

  • Unterlagen und Erklärungen wurden nicht, nicht fristgerecht oder nicht vollständig heraus- beziehungsweise abgegeben;

  • Uneinigkeit über Herausgabe beziehungsweise Beschlagnahme von Beweismitteln.

Technische und organisatorische Maßnahmen („Compliance-Maßnahmen“).

Um sicherzustellen, dass die getroffenen Maßnahmen die künftige Vermeidung von vergleichbarem Fehlverhalten gewährleisten, hat das Unternehmen angemessene Maßnahmen als Reaktion auf das jeweilige Fehlverhalten zu treffen. In dem Antrag auf vorzeitige Löschung müssen Unternehmen daher ausführen, welche Maßnahmen sie getroffen haben und warum die erfolgten Maßnahmen angemessen, aber auch ausreichend sind. Maßstab für die Angemessenheit in diesem Sinne ist eine unternehmens- und deliktsbezogene Analyse des Risikos weiteren Fehlverhaltens. Die Angemessenheit wird also (1.) vom früheren Fehlverhalten ausgehend (2.) unternehmensbezogen und (3.) deliktsbezogen bestimmt. Deswegen sind in dem Antrag auf Selbstreinigung auch Ausführungen zu Größe, Umsatz, Struktur und Tätigkeitsbereichen des Unternehmens zu machen. Ziel ist es nicht, möglichst viele, sondern Maßnahmen umzusetzen, die zu dem Fehlverhalten und dem jeweiligen Unternehmen passen. Daher überrascht es nicht, dass die Einführung eines umfassenden Compliance-Management-Systems vom Bundeskartellamt weder als hinreichende noch als notwendige Bedingung einer Selbstreinigung angesehen wird. Es sollen jedoch die etablierten Standards effektiver Compliance bei der Bewertung der Maßnahmen berücksichtigt werden. Konkrete Standards aus der Praxis, die für die Bewertung als Orientierung genommen werden könnten, werden nicht spezifiziert. Die folgenden Gesichtspunkte werden jedoch in den „Praktischen Hinweisen“ aufgeführt und können daher als erste grobe Orientierung für erforderliche Compliance-Maßnahmen dienen:

  • Durchführung einer Risikoanalyse (Umstände des Fehlverhaltens);

  • Anpassung der Organisations- und Aufsichtsstruktur;

  • Bekenntnis der Unternehmensleitung zu rechtskonformem Handeln;

  • Sorgfältige Auswahl, Schulung und Kontrolle der Unternehmensbeschäftigten;

  • Umgang mit Hinweisen beziehungsweise Implementierung eines Hinweisgebersystems;

  • Angemessene Ressourcen und Kompetenzen der verantwortlichen Personen;

  • Anreize für die Beachtung der Compliance-Anforderungen und Ahndung von Zuwiderhandlungen;

  • Evaluation und Anpassung der Compliance-Maßnahmen.

Entscheidend wird es für Unternehmen sein, die richtige Balance zu finden. Es ist darauf zu achten, dass weder zu geringfügige Compliance-Maßnahmen durchgeführt noch zu weitgehende, ineffektive Maßnahmen umgesetzt werden. Vielmehr muss eine maßgeschneiderte Compliance-Lösung gefunden werden, die alle nach dem GWB relevanten Kriterien berücksichtigt.

Personelle Maßnahmen.

Schließlich hat das Unternehmen auch die erforderlichen personellen Maßnahmen zu ergreifen. Kriterien für die Erforderlichkeit sind insbesondere die Umstände des Fehlverhaltens, die Größe des Unternehmens, die Position der am Fehlverhalten Beteiligten, Organisationsdefizite oder auch die Verletzung von Aufsichtspflichten. Deshalb ist in dem Antrag anzugeben, welche Stellung und Verantwortlichkeit die am Fehlverhalten beteiligten Personen haben.

Ausblick.

Da die Stellungnahmefrist bereits abgelaufen ist, gehen wir davon aus, dass die finalen Leitlinien/Hinweise zeitnah veröffentlich werden. Da noch viele Fragen offen sind und eine Vielzahl von Stellungnahmen von Interessenverbänden abgegeben wurden, könnten die finalen Leitlinien noch erhebliche Änderungen erfahren. Wir halten Sie über etwaige Änderungen auf dem Laufenden.

Sollten Sie bereits jetzt Selbstreinigungsmaßnahmen durchführen wollen, können Sie gerne jederzeit Kontakt zu uns aufnehmen – wir helfen gerne bei der Risikoanalyse und Implementierung von angemessenen Maßnahmen, die Ihnen eine vorzeitige Löschung aus dem Wettbewerbsregister ermöglichen.

Weitere Teile aus dieser Reihe:


Die Schwerpunkte von Dr. Michael Dallmann liegen im Bereich des deutschen und europäischen Kartellrechts einschließlich einer umfassenden Beratung in Kartellbußgeldverfahren.