Hintergrund zur Bonusregelungen ohne Backup.

Viele Unternehmen zahlen ihren Mitarbeitern „variable Vergütungen“. Das macht Sinn, um zu erreichen, dass unternehmerisch gewünschten Ziele von den Mitarbeitern auch ernsthaft verfolgt werden.

Bonuszahlungen können dabei ins freie Ermessen des Unternehmens gestellt werden – dann fehlt aber die konkrete Steuerungsmöglichkeit in Bezug auf Ziele.

Alternativ stehen daher auch noch die Zielvereinbarung und die Zielvorgabe zur Verfügung. Letztere kann gerichtlich genauer kontrolliert werden, da der Arbeitgeber schließlich einseitig bestimmt hat, was der Arbeitnehmer im Jahr erreichen muss, um einen Bonus zu bekommen.

Oft wird daher der Abschluss von Zielvereinbarungen bevorzugt, auch weil diese mitunter eine höhere Eigenverantwortung und Motivation erzeugen. Der Arbeitnehmer hat den Zielen schließlich aktiv zugestimmt und fühlt sich nicht „fremdbestimmt“.

Der Abschluss von Zielvereinbarungen beinhaltet nun aber notweniger Weise, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch wirklich einigen – und das jedes Jahr aufs Neue. Das kann mitunter scheitern. Das wiederum heißt nicht, dass dann auch kein Bonus zu zahlen wäre: Arbeitnehmern stehen dann oft Schadenersatzansprüche wegen fehlender Zielvereinbarung zu.    

Viele Unternehmen haben sich daher bislang damit beholfen, zu regeln, dass im Falle des Scheiterns des Abschlusses einer Zielvereinbarung der Arbeitgeber einseitig, nach billigem Ermessen, Ziele vorgeben darf.

Entscheidung.

Diese Praxis hat nun ein Ende: das BAG sieht in einer solchen Vertragsgestaltung eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB (BAG vom 03.07.2024, 10 AZR 171/23).

Der Arbeitgeber würde durch eine solche Regelung die Möglichkeit haben, die vertraglich vereinbarte Rangfolge von Zielvereinbarung und Zielvorgabe zu unterlaufen. Er habe es in der Hand, Verhandlungen grundlos zu verweigern oder abzubrechen – um dann Ziele einseitig vorzugeben. Zudem würde es Arbeitnehmer davon abhalten, Ziele frei auszuhandeln. Die „Backup-Regelung“ zur einseitigen Vorgabe der Ziele sei daher unwirksam.  

Dem Arbeitnehmer stand über einen Schadenersatzanspruch eine Bonuszahlung von ca. EUR 80.000,00 zu: Das Gericht hielt fest, dass eine Verhandlung über eine Zielvorgabe nur dann vorliegen würde, wenn der Arbeitgeber den Kerninhalt der von ihm vorgeschlagenen Zielvereinbarung ernsthaft zur Disposition stelle. Das sei hier nicht der Fall gewesen: nachdem der Mitarbeiter die Vorschläge des Arbeitgebers nicht angenommen, sondern einen Gegenvorschlag gemacht hatte, den der Arbeitgeber nicht akzeptieren wollte, ging der Arbeitgeber dazu über, die Ziele einseitig vorzugeben.

Er habe damit schuldhaft seine Pflicht zum Verhandeln verletzt und schulde daher Schadenersatz.

Was heißt das nun?

Unternehmen, die eine solche Regelung in ihren Bonusregelungen haben, müssen dennoch eine Zielvereinbarung abschließen und dürfen beim Scheitern der Verhandlungen mit dem Mitarbeiter Ziele nicht mehr einseitig vorgeben.

Dabei sollte genau dokumentiert werden, wie der Verlauf der Verhandlung war: kommt es nicht zum Abschluss einer Zielvereinbarung, heißt das nicht immer, dass der Arbeitnehmer den vollen Bonusanspruch über einen Schadenersatz erhält. Die Gerichte prüfen, ob ein Mitverschulden des Mitarbeiters am Nicht-Abschluss vorgelegen hat, was den Schadenersatzanspruch gem. § 254 BGB reduzieren kann – notfalls auch bis auf „Null“. Jedoch gilt erst einmal eine Verschuldensvermutung, die der Arbeitgeber widerlegen muss. Zudem muss wirklich verhandelt werden. „Friss oder stirb“ erfüllt diese Obliegenheit nicht.

Bei der Gestaltung von Regelungen zur variablen Vergütung sollten sich Unternehmen von vornherein überlegen, ob Sie den Abschluss von Zielvereinbarungen weiterhin möchten. Die Anforderungen an die Verhandlungsführung sind hoch, ein Backup für den Fall der Nicht-Einigung gibt es nicht mehr.

Daher kann es Sinn machen, doch lieber gleich die Ziele einseitig vorzugeben. Eine solche Vertragsgestaltung ist auch nach der Entscheidung des BAG weiterhin möglich, nur eben nicht als „Backup“ für eine gescheiterte Verhandlung.

Sprechen Sie uns gern an, wenn wir Sie bei der Gestaltung Ihrer Bonusregelungen unterstützen können.


Astrid Krüger berät nationale und internationale Unternehmen umfassend im Bereich des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts und angrenzender Rechtsgebiete und begleitet Restrukturierungen und Transaktionen.