Am 10. Dezember 2021 hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates ein Gesetz erlassen, das all diejenigen Arbeitgeber vor neue Herausforderungen stellt, die Bezug zu Tätigkeiten in medizinischen Einrichtungen haben.

Er hat das „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie“ beschlossen und in § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht verankert. Danach dürfen nach dem 15. März 2022 in medizinischen Einrichtungen ausschließlich Personen tätig werden, die geimpft oder genesen sind oder eine Kontraindikation nachweisen können. Ziel des Gesetzes ist der Schutz besonders vulnerabler Menschen (Hochbetagte und Pflegebedürftige sowie Personen mit akuten oder chronischen Grundkrankheiten) vor einer Infektion mit COVID-19 und dadurch die Entlastung des Gesundheitssystems.

Obwohl das Gesetz im Dezember von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde, haben einige Bundeslänger angekündigt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht umsetzen zu wollen. Damit nicht genug. Am 16. Februar 2022 meldete sich das Bundesministerium für Gesundheit mit einer „Handreichung zur Impfprävention in Bezug auf einrichtungsbezogene Tätigkeiten“ zu Wort und macht das Chaos perfekt. Das Gesundheitsministerium vertritt die Auffassung, das arbeitsrechtliche Konsequenzen von der vorherigen Entscheidung des Gesundheitsamtes abhängig seien.

FAQs_zu_20a_IfSG.pdf (bundesgesundheitsministerium.de)

Für Unternehmen der Gesundheitsbranche und Dienstleister, die für diese Branche tätig sind, gerät die einrichtungsbezogene Impfpflicht zunehmend zum Albtraum!

Im folgenden Blogbeitrag ordnen wir das Problem ein und geben Hinweise zu den arbeitsrechtlichen Implikationen und Handlungsalternativen.

Was bedeutet einrichtungsbezogene Impfpflicht.

Nach § 20a IfSG müssen in Einrichtungen und Unternehmen der Gesundheitsbranche tätige Personen (insbesondere Personal in Kliniken, Pflegeheimen, Arztpraxen und Rettungsdiensten) geimpft oder genesen sein oder ein ärztliches Attest über das Bestehen einer Kontraindikation gegen eine COVID-19-Impfung nachweisen können. Für bestehende Beschäftigungsverhältnisse ist diese Vorlagepflicht bis zum 15. März 2022 zu erfüllen. Neue Beschäftigungsverhältnisse dürfen ab dem 16. März 2022 nur bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises begründet werden.

§ 20a IfSG regelt ein Tätigkeitsverbot für Neueinstellungen nach dem 16. März ohne entsprechenden Nachweis. Nicht so für Beschäftigten, die bereits vor dem 15. März 2022 in einer in § 20a IfSG genannten Einrichtung tätig sind. Für diese Beschäftigten hat sich der Gesetzgeber für die eigenwillige Konstruktion entschieden, dass die Leitung der Einrichtung das zuständige Gesundheitsamt über den mangelnden Nachweis zu informieren und die entsprechenden Daten zu übermitteln hat. Das Gesundheitsamt entscheidet dann über ein Betretungs- beziehungsweise Tätigkeitsverbot und kann ein Bußgeldverfahren einleiten.

Was bedeutet das für den Arbeitgeber?

Für Einrichtungen und Unternehmen der Gesundheitsbranche entsteht hinsichtlich der Bestandsbelegschaft ein echtes Dilemma. Sie müssen entscheiden, wie sie ab dem 15. März 2022 mit nachweisunwilligen Beschäftigten umgehen. Auf Grund der ohnehin chronischen Überlastung der Gesundheitsämter im Rahmen der Infektionsnachverfolgung ist mit zeitnahen Entscheidungen über ein Tätigkeitsverbot für diese Beschäftigten nicht zu rechnen.

Dürfen die Einrichtungen und Unternehmen Mitarbeitende ohne Impf- oder Genesenennachweis auch nach dem 15. März bis zu einer anderslautenden Entscheidung des zuständigen Gesundheitsamts einsetzen? Müssen diese Mitarbeitenden – wie das Gesundheitsministerium meint – keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen fürchten?

Keine Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht durch die Bundesländer.

Einrichtungen und Unternehmen der Gesundheitsbranche sollten nicht auf die vollmundigen Ankündigungen der Landesregierungen vertrauen und die einrichtungsbezogene Impfpflicht um- und durchzusetzen.

Nach § 20a Abs. 1 IfSG müssen Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitsbereich ab dem 15. März 2022 geimpft oder genesen sein. Daraus ergibt sich ein klares Beschäftigungsverbot für ungeimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das hat so übrigens auch der Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, im Rahmen der Jahrespressekonferenz am 08. Februar 2022 klargestellt.

Solange der Bundesgesetzgeber nicht tätig wird, müssen die Unternehmen der Gesundheitsbranche die Impfpflicht umsetzen. Andernfalls, das heißt bei einem Abwarten auf eine Entscheidung des Gesundheitsamts, setzen sie sich dem Risiko von Schadensersatzansprüchen aus, wenn ungeimpfte Mitarbeitende trotz der klaren Anweisung in § 20a Absatz 1 IfSG beschäftigt werden und Pflegebedürftige sich in einer Einrichtung mit dem Corona-Virus infizieren.

Was Einrichtungen und Unternehmen tun sollten.

Zunächst sollte die Leitung der Einrichtung die nachweisunwilligen Beschäftigten unverzüglich dem zuständigen Gesundheitsamt melden und die erforderlichen Unterlagen und Informationen, insbesondere die arbeitgeberseitigen Aufforderungsschreiben zur Vorlage der Nachweise, übermitteln.

Ferner sollten Beschäftigte, die den Nachweis über eine Impfung, den Genesenenstatus oder eine Kontra-Indikation nicht bis zum 15. März 2022 vorgelegt haben, ab dem 16. März 2022 nicht weiter eingesetzt werden. Rein ordnungsrechtlich mag ein Einsatz dieser Mitarbeitenden zwar zulässig sein, solange kein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot durch das Gesundheitsamt verhängt wurde. Der Einsatz ungeimpfter Mitarbeitender ist vor dem Hintergrund der klaren Anordnung in § 20a Absatz 1 IfSG wegen der oben beschriebenen Risiken hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche aber riskant. Die Freistellung dieser Mitarbeitenden ist vor diesem Hintergrund zulässig und geboten.

Auch dürften die nachweisunwilligen Mitarbeitenden während der Freistellung keinen Anspruch auf Vergütung haben, können also unbezahlt freigestellt werden. Die Auffassung des Gesundheitsministeriums, wonach arbeitsrechtliche Konsequenzen von der Entscheidung des Gesundheitsamtes abhängen, steht im Widerspruch zu der unmissverständlichen Regelung in § 20a Absatz 1 IfSG und dürfte rechtlich nicht haltbar sein.

Danach ist auch eine Abmahnung wegen Nichtvorlage der in § 20a IfSG genannten Nachweise möglich.

Auch an eine Kündigung ist zu denken. Eine solche kommt einmal unter dem Gesichtspunkt einer verhaltensbedingten Kündigung wegen der Verletzung der Vorlagepflicht und zudem unter dem Gesichtspunkt der personenbedingten Kündigung wegen Wegfalls der persönlichen Eignung in Betracht. Angesichts der Tatsache, dass die Laufzeit des § 20a IfSG bis zum 31. Dezember 2022 befristetet ist, ist aber jedenfalls die personenbedingte Kündigung kritisch zu betrachten.

Fazit.

Gesetzgeber und Politik haben der Gesundheitsbranche mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht einen Bärendienst erwiesen. Die Konsequenzen der politischen Entscheidung über die Einführung der Impfpflicht in Einrichtungen der Gesundheitsbranche und die uneinheitliche Haltung zur Umsetzung müssen nun die Unternehmen ausbaden. Die handwerklich mangelhafte Umsetzung der Impfpflicht in § 20a Absatz 1 IfSG stellt die Unternehmen vor zahlreiche rechtliche Fragestellungen und Unsicherheiten. Zudem werden sie mit einem hoch emotionalisierten Thema allein gelassen, das das Potential hat, die Belegschaft zu spalten. Die öffentlichkeitswirksamen Vorstöße einiger Ministerpräsidenten und Landräte sind in dieser ohnehin schwierigen Situation sicher wenig hilfreich.


Thorsten Walter berät nationale und internationale Unternehmen umfassend im Bereich des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts und angrenzender Rechtsgebiete.

Markus Söding ist im Arbeitsrechtsressort unserer Sozietät tätig. Er berät national sowie international tätige Unternehmen in allen Fragestellung des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, inklusive angrenzender Rechtsgebiete, wie denen des Sozialrechts.