1. Das OVG Münster hat mit einem jüngst bekannt gewordenen Urteil vom 20. September 2017 (16 A 1920/09, ZUR 2018, 288) entschieden, dass die Haftung als Handlungsstörer für Bodenverunreinigungen nicht schon durch das Einbringen bestimmter Stoffe begründet wird. Die Urteilsbegründung zeigt quasi mustergültig, wie diese in hohem Maße praktisch relevante Frage der Haftungsverantwortung als sogenannte Handlungsstörer zu prüfen ist.

2. Die Klägerin war Pächterin von landwirtschaftlichen Flächen, auf die sie ein als Bodenverbesserer kostenlos abgegebenes Material aufbrachte. Nachdem erhebliche Belastungen von Gewässern in der Umgebung mit perfluorierten Tensiden (PFT) festgestellt worden waren, recherchierten die zuständigen Behörden zur Ermittlung der Kontaminationsursache unter anderem über das Flächenverzeichnis für die Aufbringung von Klärschlamm und Bioabfällen. Anhand der topografischen Gegebenheiten konnte ein Zusammenhang zwischen der beaufschlagten Fläche der Klägerin und den Gewässerverunreinigungen hergestellt werden. Bodenuntersuchungen ergaben in der Folge eine deutliche PFT-Belastung der Grundstücke. Der Beklagte nahm die Klägerin, neben anderen, zu umfangreichen bodenschutzrechtlichen Sanierungen in Anspruch. Das OVG in Münster entschied, dass diese Haftungsheranziehung fehlerhaft sei.

3. Musterhaft zeigt das OVG Münster auf, dass gerade im Bodenschutzrecht nicht schon die bloße Kausalität einer Handlung zu einer Verursacherhaftung als Handelnder führt und wie die Haftungsverantwortung als Handlungsstörer zu prüfen ist.

3.1. Zunächst muss der pflichtige Handlungsstörer einen Verursachungsbeitrag gesetzt haben. Das war hier das Aufbringen der PFT-belasteten Materialien. Die Verursachung muss „naturwissenschaftlich-kausal“ feststehen. Die bloße Möglichkeit eines bestimmten Geschehensablaufs genügt nicht – das BBodSchG begründet keine „konturenlose Gefährdungshaftung“.

3.2. Gerade im Bodenschutzrecht kann aber ein Verursacherbeitrag nicht immer unmittelbar – etwa unter Rückgriff auf naturwissenschaftlich-technische Methoden – geführt werden. Ausreichend ist schon, dass zwischen dem Verhalten einer Person und der eingetretene Gefahrenlage ein gesicherter Ursachenzusammenhang besteht, der durch objektive Faktoren als tragfähige Indizien gerechtfertigt wird. Das war hier aufgrund der PFT-Belastung des aufgebrachten Materials und der topographischen Geländeeigenschaften der Fall.

3.3. Der Zusammenhang zwischen der Gefahrenlage und dem Handlungsbeitrag muss dann nicht nur kausal sein, sondern bei wertender Betrachtung einer Verhaltensstörereigenschaft geeignet sein, eine Haftung der Klägerin begründen. Hält sich der Handelnde grundsätzlich an die von der Rechtsordnung vorgesehene Möglichkeit der Rechtsausübung in sozial üblicher Weise, kommt regelmäßig eine Störereigenschaft nicht in Betracht. Abzustellen ist, in wessen Risiko- und Pflichtensphäre die Verantwortung für den gefährlichen Zustand fällt.

3.4. Vorliegend waren schon die aufgetragenen Stoffgemische mit PFT belastet. Das konnte die Klägerin jedoch nicht wissen, da das Material als Bodenverbesserer gehandelt wurde, der nach Angaben des Lieferanten unter das Regelungsregime der Bioabfallverordnung fiel. Es wurde sogar eine staatliche Aufbringungsprämie für das Aufbringen des Stoffs gezahlt.

4. Daher war nicht ersichtlich, dass die Klägerin Handlungspflichten aus der Bioabfallverordnung verletzt hatte. Die diesbezüglichen Pflichten treffen den Entsorgungsträger, den Erzeuger und Besitzer von Bioabfällen oder Gemischen, Abfallbehandler oder Gemischhersteller. Die Störerauswahl des Beklagten, die Klägerin heran zu ziehen, war ermessensfehlerhaft, der Heranziehungsbescheid daher rechtswidrig.

5. Sanierungsbescheide können praktisch relevante Schwachstellen haben, wenn die Störerauswahl und die Heranziehung des Bescheidadressaten nicht hinreichend begründet oder schon nicht hinreichend ermittelt wurde. Hier lohnt eine genauere Prüfung anhand der vom OVG aufgezeigten Prüfkriterien im Einzelnen.


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Christoph Just LL.M. ist Partner unserer Sozietät in Frankfurt am Main und Fachanwalt für Steuer- und Verwaltungsrecht. Seine Praxis fokussiert sich auf Prozessführung (staatliche und Schiedsgerichtsbarkeit) wie auch auf regulatory (Umwelt, Energie, Vergabe).