Merksätze:
Der Bieter, der einen Vergabefehler befürchtet, muss diesen erst rügen, bevor er einen Nachprüfungsantrag stellt. Für den Nachprüfungsantrag gilt gesetzlich die Schriftform, da ein per E-Mail eingereichter Nachprüfungsantrag unwirksam ist.
Entscheidung:
Der öffentliche Auftraggeber schrieb europaweit einen Rahmenvertrag über Multifunktionsgeräte im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb aus. Er machte dabei auf die Rügepflichten des § 160 S. 1 Nr. 1-4 GWB aufmerksam. Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Angebot, erhielt aber ein Vorinformationsschreiben per E-Mail, dass beabsichtigt sei, am 8. Dezember 2018 spätestens, jedenfalls nach Ablauf der Wartefrist, den Zuschlag auf das Angebot des Bestbieters zu erteilen. Die Antragstellerin faxte dann am 6. Dezember 2018 um 15:41 Uhr einen Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer. Sie begründete den Antrag mit Beanstandungen des Rügeschreibens, fügte dieses aber nicht bei. Am 7. Dezember sandte die Antragstellerin der Vergabekammer per E-Mail noch die Vorinformation sowie das Rügeschreiben. Das Rügeschreiben ging laut Poststempel bei dem Auftraggeber am 10. Dezember 2018 ein. Das Rügeschreiben war ausweislich der Vergabeakte am 6. Dezember 2018 um 17:20 Uhr an den Auftraggeber gefaxt worden.
Die VK Brandenburg (Beschl. vom 28. Januar 2019, VK 22/18) wies den Nach-prüfungsantrag aus zwei Gründen zurück:
Die Bieter müssen Vergaberechtsverstöße binnen 10 Kalendertagen rügen. Sinn ist, dem Auftraggeber Gelegenheit zur Korrektur etwaigen Fehlverhaltens zu geben. Daher kann es nicht darauf ankommen, wann ein Nachprüfungsantrag dem Auftraggeber zugestellt wird – dann kann er sein Verhalten nicht mehr korrigieren und einen Nachprüfungsantrag vermeiden. Maßgeblicher Zeitpunkt ist das Datum, an dem der Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt wird. Eine Rüge vor Zustellung ist daher unerheblich, weil sie nicht vor Antragstellung, wie § 160 GWB fordert, erhoben wurde. Das war der erste Stolperstein im vorliegenden Fall, weil die Rüge erweislich fast zwei Stunden nach dem Nachprüfungsantrag gefaxt wurde. Aber auch die „umgekehrte Reihenfolge“ wäre kritisch, weil eine um 15:40 Uhr gefaxte Rüge kaum bis 17:20 Uhr, der Stellung des Nachprüfungsantrags, behoben sein könnte.
Der Nachprüfungsantrag muss zudem schriftlich erhoben werden, § 161 Abs. 1 S. 1 GWB. Es handelt sich um ein gesetzliches Formerfordernis. Die Einreichung eines Antrags muss diesem Formerfordernis genügen. Die weitere, per E-Mail an die Vergabekammer gesandte Benachrichtigung war zwar zeitlich nach der Rüge (unabhängig, ob die Abhilfemöglichkeit substanziell bestand) genügte schon der gesetzlichen Form nicht. Es kam daher auch nicht mehr darauf an, ob den materiellen Inhalten des § 161 Abs. 2 GWB an die Begründung entsprochen wurde.
Hinweise:
Bei der Verfahrensplanung ist so zu planen, dass eine Abhilfemöglichkeit, die der Gesetzgeber fordert, nicht von den Abläufen her von vornherein ausgeschlossen wird. Die Rüge ist formfrei möglich, auch mündlich (OLG Brandenburg VergW 10/11; OLG Celle 13 Verg 10/10) oder per E-Mail (BGH X ZB 44/03). Zu beachten ist aber, dass unabhängig von der Erhebungsform der Rüge der Nachprüfungsantrag durchgängig in der gesetzlich geforderten Form schriftlich erhoben und begründet wird. Dem genügt eine E-Mail-Benachrichtigung grundsätzlich nicht für den Nachprüfungsantrag. Kann daher die Rüge gegebenenfalls per E-Mail (dann gegebenenfalls mit qualifizierter elektronischer Signatur, § 3a VwVfG) erhoben werden, ge-nügt das für den Nachprüfungsantrag nicht.
Christoph Just LL.M., Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, ist Partner in unseret Frankfurter Sozietät. Seine Praxis fokussiert sich auf Prozessführung (staatliche und Schiedsgerichtsbarkeit) wie auch auf regulatory (Umwelt, Energie, Vergabe).