In unserem Einstiegsbeitrag hatten wir bereits auf die hohe Relevanz des Kartellrechts in der Versicherungswirtschaft hingewiesen. Das aktuelle Verfahren der Europäischen Kommission gegen den irischen Dachverband für Versicherungen „Insurance Ireland“ belegt die Aktualität der Thematik.
Hintergrund.
Insurance Ireland ist eine Vereinigung mehrerer in Irland tätiger Versicherungsunternehmen für KfZ-versicherungen, in etwa vergleichbar mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft oder dem deutschen Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV). Im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben verwaltet Insurance Ireland für ihre Mitglieder unter anderem die Datenbank „Insurance Link“. Die Mitglieder von Insurance Ireland übermitteln andauernd Daten zu Schadensfällen an die Datenbank. Die in der Datenbank zusammengefassten Informationen sollen der Aufdeckung potenziell betrügerischer Handlungen durch Anspruchsberechtigte sowie der Überprüfung der von Kunden gegenüber den Versicherungen gemachten Angaben dienen.
Die Kommission überprüft diesen Datenpool nunmehr im Rahmen eines kartellrechtlichen Verfahrens.
Kommission anerkennt Wettbewerbsförderung durch Datenpools.
Dabei anerkennt die Kommission zunächst ausdrücklich, dass die gemeinsame Statistierbarkeit von Risiken durch einen verbandseigenen Datenpool wettbewerbsfördernd sein kann. Insofern ist auch nach dem Auslaufen der kartellrechtlichen Gruppenfreistellungsverordnung in der Versicherungswirtschaft, in der entsprechende Kooperationen zur gemeinsamen Statistierbarkeit von Risiken freigestellt wurden, keine materielle Änderung bei der Bewertung von Datenpools in der Versicherungswirtschaft zu befürchten. Eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung durch den Austausch von Informationen über den Datenpool liegt erst dann vor, wenn es sich bei diesen Daten um strategische Informationen handelt, die die Unternehmen in die Lage versetzen, die Marktstrategien ihrer Konkurrenten in Erfahrung zu bringen (z.B. Austausch über Höhe von Gebühren).
Kartellrechtswidrige Versperrung des Zugangs zum Datenpool?
Allerdings hat die Kommission Zweifel an den Regeln über den Zugang zum Datenpool „Insurance Link“ durch konkurrierende Unternehmen. Die kartellrechtliche Bewertung des Datenpools durch die Kommission betrifft damit nicht das „Ob“, sondern das „Wie“ des Datenpools. Die Kommission möchte insbesondere ermitteln, ob konkurrierenden Versicherungen der Zugang in kartellrechtswidriger Weise unnötig erschwert wird. Im Ergebnis könnte ein solches Verhalten zu Marktzutrittsschranken für Kfz-Versicherer führen, was wiederum eine geringere Auswahl an wettbewerbsfähigen Kfz-Haftpflichtversicherungspolicen zur Folge hätte.
Im Kern betrifft die kartellrechtliche Fragestellung daher ein Problem, dessen Bedeutung über die Versicherungswirtschaft hinausgeht und insbesondere auch Themen der Digitalisierung und „Big Data“ betrifft:
Gibt es einen kartellrechtlichen Anspruch auf Zugang zu Daten?
Bereits in der Vergangenheit hat der EuGH bei Datenpools zumindest einen mittelbaren Anspruch auf Zugang bejaht. In der Sache Asnef-Equifax hat das Gericht betont, dass eine Vereinbarung zwischen Wettbewerbern zur Errichtung eines Informationsregisters über Kreditnehmer allen im maßgeblichen Bereich tätigen Wirtschaftsteilnehmern rechtlich wie tatsächlich diskriminierungsfrei zugänglich sein muss. Andernfalls kann eine zumindest bewirkte Wettbewerbsbeschränkung und damit ein Verstoß gegen das Kartellverbot aus Art. 101 AEUV vorliegen.
Fazit.
Die kartellrechtliche Untersuchung der Kommission in Sachen „Insurance Ireland“ belegt die Relevanz des Kartellrechts für die Versicherungswirtschaft selbst im Falle grundsätzlich zulässiger Kooperationen wie Datenpools. Wie so häufig ist die Frage weniger, ob eine Kooperation als solche kartellrechtlich zulässig ist, sondern wie sie strukturiert und durchgeführt werden muss, um kartellrechtskonform zu sein.
Dr. Christoph Peter ist geschäftsführender Partner unserer Kanzlei und berät Unternehmen in allen Bereichen des Kartellrechts. Schwerpunkte seiner Beratung sind unter anderem die Koordination von multijurisdiktionalen Unternehmenszusammenschlüssen, die Beratung von Unternehmenskooperationen und Verbänden, und die Vertretung von Unternehmen in Bußgeldverfahren vor dem Bundeskartellamt, der EU Kommission und EuG / EuGH.