Das Bundeskartellamt hat Kartellverfahren gegen mehrere Großhändler von Pflanzenschutzmitteln mit der Verhängung von Bußgeldern in Gesamthöhe von EUR 154,6 Millionen abgeschlossen. Die Wettbewerbsbehörde wirft den Großhändlern vor, zwischen 1998 und Frühjahr 2015 Preise für Pflanzenschutzmitteln abgesprochen zu haben.

Für die Abnehmer von Pflanzenschutzmitteln stellt sich daher die Frage, ob sie Kartellschadensersatzansprüche anmelden können beziehungsweise auch sollten. Im Folgenden bieten wir einen Überblick über die wichtigsten Fragen:

Welche Großhändlern waren laut Kartellamt an den Absprachen beteiligt?

Bußgelder verhängt wurden gegen AGRAVIS Raiffeisen AG, Hannover/Münster, AGRO Agrargroßhandel GmbH & Co. KG, Holdorf, BayWa AG, München, BSL Betriebsmittel Service Logistik GmbH & Co. KG, Kiel, Getreide AG, Hamburg, Raiffeisen Waren GmbH, Kassel und ZG Raiffeisen eG, Karlsruhe.

Am Kartell beteiligt war ebenfalls die Beiselen GmbH, Ulm, gegen die als „Kronzeugin“ jedoch kein Bußgeld verhängt wurde.

Worauf bezogen sich die Absprachen?

Die Absprachen bezogen sich in erster Linie auf einheitliche Preislisten für Pflanzenschutzmittel, die durch gemeinsame Kalkulationen entstanden. Teilweise übernahmen die Großhändler die abgestimmten Preislisten und setzten einfach ihr Logo hinzu. Darüber hinaus wurden für zentrale Produkte aber bisweilen auch zu gewährende Rabattspannen und Abgabepreise gegenüber Einzelhändlern ohne weitere Rabattierung (Netto-Netto-Preise) abgesprochen.

Wer kann kartellrechtliche Schadensersatzansprüche geltend machen?

Insbesondere direkte und indirekte Abnehmer der kartellbeteiligten Großhändler zwischen 1998 und mindestens bis Frühjahr 2015 können auf das Kartell zurückzuführende, künstliche Preiserhöhung als Schaden ersetzt verlangen. Dies gilt daher insbesondere für den Bezug von Pflanzenschutzmitteln von den beteiligten Großhändlern. Hinzu kommen können erhebliche Zinsforderungen.

Sind die Ansprüche nicht bereits verjährt?

Gerade bei Ansprüchen bezogen auf die Anfangszeit des Kartelles ab 1998 droht Verjährung beziehungsweise könnte diese bereits eingetreten sein. Zu bedenken sind jedoch die langen Verjährungszeiten von 10 Jahren bei fehlender Kenntnis über das Kartell und die Hemmung der Verjährung während der Untersuchung durch das Bundeskartellamt ab 2015 bis zum rechtskräftigen Abschluss der Bußgeldverfahren. Daher bestehen sehr gute Aussichten darauf, dass auch ältere Ansprüche derzeit noch nicht der Verjährung unterliegen. Dies bedarf aber stets der Prüfung im Einzelfall.

Müssen betroffene Abnehmer den Kartellverstoß der Großhändler beweisen?

Nein, soweit das Bundeskartellamt den Kartellverstoß in seinen Bußgeldbescheiden gegen die am Kartell beteiligten Großhändler festgestellt hat, sind die Gerichte in Verfahren über Kartellschadensersatzansprüche an diese Feststellungen gebunden.

Müssen betroffene Abnehmer ihre kartellbedingten Schäden beweisen?

Ja, trotz bestehender Beweiserleichterungen ist grundsätzlich durch die Abnehmer nachzuweisen, ob und in welcher Höhe kartellbedingt überhöhte Preise gezahlt wurden. Die Kartellanten stellen sich häufig auf den Standpunkt, dass sich die Preisabsprachen im Ergebnis nicht auf die konkreten Preise des einzelnen Abnehmers ausgewirkt hätten. So hat auch im vorliegenden Fall ein am Kartell beteiligter Großhändler bereits in einer Pressemitteilung erklärt, dass seinen Kunden kein Schaden entstanden sei. Freilich passt dies nicht zu den Feststellungen des Bundeskartellamtes, wonach sich die Absprachen eben teilweise auch auf Netto-Netto-Preise bezogen.

Wie können betroffene Abnehmer Schadensersatzansprüche anmelden?

Betroffene Abnehmer sollten analysieren, ob und in welchem Umfang sie kartellbetroffene Waren bezogen haben. Weiterhin sollte geprüft werden, ob mögliche Ansprüche eventuell bereits verjährt sind oder kurzfristige Maßnahmen notwendig sind, um die Verjährungsgefahr zu bannen. Anschließend sollte eine Kosten-Nutzen-Analyse erfolgen, welche die Durchsetzbarkeit der Ansprüche in ein realistisches Verhältnis zu den möglichen Kosten der Rechtsverfolgung setzt. Sprechen Sie uns für eine solche Analyse gerne unverbindlich an.


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Dr. Kim Manuel Künstner berät Unternehmen zu allen Fragen des Kartellschadensersatzes und vertritt Unternehmen in Kartellschadensersatzprozessen vor Gericht sowohl auf Kläger- als auch Beklagtenseite.


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