Zum 1. Januar 2023 kommt sie nun tatsächlich, nachdem ihr Startdatum mehrfach verschoben wurde: die neue elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung („eAU“) für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer. § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz wurde um Absatz 1a ergänzt. Unternehmen sind gezwungen, ihre Abläufe und diesbezügliche Regelungen in Policies, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen anzupassen.

Die besondere Herausforderung: es wird nicht für alle alles anders: für privat Versicherte bleibt erstmal alles wie gewohnt. Ausgenommen sind darüber hinaus auch Arbeitnehmer, die von einem Arzt krankgeschrieben werden, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt - und geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten. Es werden also mehrere Prozesse parallel betrieben werden müssen.

Was galt bisher?

Neben der Meldung einer Arbeitsunfähigkeit (Hinweispflicht) mussten bisher alle Arbeitnehmer im Falle einer Erkrankung bei ihrem Arbeitgeber rechtzeitig eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreichen (Vorlagepflicht). Bei ihrem behandelnden Arzt erhielten sie bisher drei Papier-Ausfertigungen der AU-Bescheinigung: eine für die eigenen Unterlagen, eine für den Arbeitgeber und eine für die Krankenkasse. Es oblag dem Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Krankenkasse mit der entsprechenden Urkunde zu versorgen.

Dieses Verfahren wird nun für gesetzlich Versicherte abgelöst und durch die eAU ersetzt. Die Vorlagepflicht entfällt künftig.

Wie ist also der Ablauf des neuen Verfahrens für gesetzlich Versicherte ausgestaltet?

Es wird digital! Was bleibt ist, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber darüber informieren muss, wenn er arbeitsunfähig geworden ist.

Er muss auch weiter wie gewohnt die Arbeitsunfähigkeit durch seinen Arzt feststellen lassen – je nach individuell geltender Regelung entweder bereits am 1. Tag - oder später, gesetzlich gilt z.B. die Pflicht ab dem 4. Tag der Erkrankung.

Der Arbeitnehmer erhält aber nur noch eine AU-Bescheinigung in Papierform für sich selbst. Diese ist nicht für eine Weitergabe an den Arbeitgeber gedacht, sondern nur für den Fall, dass es Zweifel oder Streit in Bezug auf die Krankschreibung gibt. Arbeitgeber dürfen ihre Arbeitnehmer nicht verpflichten, diese (weiterhin) bei ihm einzureichen.

Um an die Bescheinigung zu kommen muss er künftig einen anderen Weg gehen:

Der Arzt meldet die AU elektronisch, über ein dafür eingerichtetes Übermittlungsportal, bei der Krankenkasse des Arbeitnehmers.

Nach dem Arztbesuch informiert der Arbeitnehmer den Arbeitgeber darüber, dass er beim Arzt war und sich dort hat krankschreiben lassen.

Nachdem der Arbeitgeber diese Information erhalten hat, muss er bei der Krankenkasse des Arbeitnehmers (!) elektronisch abfragen, ob diese eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arbeitnehmers erhalten hat. Ist dies der Fall, so übermittelt die Krankenkasse diese elektronisch an den Arbeitgeber.

Dieser Prozess muss nun aufgelegt werden – und auch datenschutzrechtliche Aspekte im Kopf behalten werden, schließlich handelt es sich um sensible Daten, die dort übertragen und verarbeitet werden.

Welche sonstigen Änderungen gehen mit dem neuen Verfahren einher?

Bisher war es dem Arbeitgeber möglich, anhand der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zumindest zu erkennen, welche Fachrichtung der ausstellende Arzt ausübt und wo dieser seinen Sitz hat.

Teilweise wurde dies genutzt, um Rückschlüsse auf die Ursache der Erkrankung und die Häufigkeit von Bescheinigungen durch einen Arzt zu ziehen. Durch eine Analyse der Adresse des Arztes konnte zudem Rückschluss darauf gezogen werden, ob die AU an einem Ort eingeholt wurde, der nicht dem Wohnort des Arbeitnehmers entsprach. Kamen dadurch Zweifel an der Aussagekraft der AU auf, so konnte der Arbeitgeber dies nutzen, um den medizinischen Dienst auf den Vorgang aufmerksam zu machen.

Bei der elektronischen Übermittlung entfällt diese Information jedoch, da der ausstellende Arzt nicht mehr übermittelt wird.

Fazit.

Was lange währt ist trotzdem noch nicht gut! Zwar ist zu befürworten, dass der Gesetzgeber endlich erste Schritte in Richtung einer Digitalisierung bürokratischer Abläufe unternimmt, er zeigt dabei aber keine absolute Entschlossenheit. Er hat es versäumt, das Verfahren verpflichtend für alle Arbeitnehmer (auch solche bei privaten Krankenversicherungen) zu gestalten und damit den Arbeitgebern und Krankenkassen viel zusätzlichen Aufwand auferlegt. Der Arbeitgeber muss nun bei jedem Arbeitnehmer immer prüfen, wo er versichert ist und ob er selbst einreicht – oder der Arbeitgeber abfragen muss.

Es ist zudem versäumt worden, klare Regelungen zum Zeitpunkt und Ausmaß der Mitteilung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit aufzustellen.

Zudem scheint das Verfahren bisher seine Tücken zu haben und Arbeitgeber, die an dem Testlauf teilgenommen haben, mussten lange auf die benötigten Informationen warten. Sobald also im Januar alle Ärzte und Arbeitgeber täglich vielfach auf das System zugreifen, steht zu erwarten, dass es zu Überlastungen kommen wird - und auch die Krankenkassen die Fülle der Anfragen nicht kurzfristig abarbeiten können.

Bisher stößt die eAU daher bei vielen Arbeitgebern auf große Skepsis. Trotz aller Skepsis gilt es nun, die Änderungen bestmöglich umzusetzen und die durch die eAU notwendig gewordenen Anpassungen von gewohnten Abläufen und Vertragsmustern vorzunehmen. Wir unterstützen gerne bei der Implementierung!


Luisa Kaup berät national sowie international tätige Unternehmen in allen Fragestellungen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.