Viele Unternehmen, die im Anwendungsbereich beispielsweise des TVöD oder des TV-V tätig sind, nutzen die in diesen Tarifverträgen vorgesehene Möglichkeit der „Personalgestellung“. Auf diesem Wege können sie anderen Unternehmen Mitarbeiter überlassen, ohne dass – so die Regelung in den Tarifverträgen - das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) anwendbar ist. Die Unternehmen brauchen daher beispielsweise keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis und es ist keine Zustimmung des individuellen Mitarbeiters erforderlich, was die Umsetzung erheblich erleichtert. Ermöglicht wird dies durch eine Öffnungsklausel in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG, der gewisse Gestaltungen außerhalb des AÜG im Anwendungsbereich eines Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes zulässt.
Am 16.06.2021 stand eine Entscheidung des BAG zu der Frage an, ob diese Bereichsausnahme denn überhaupt wirksam ist. Das BAG hat die Frage jedoch nicht beantwortet, sondern sie dem EuGH vorgelegt. Es bleibt daher noch spannend (vgl. Pressemitteilung des BAG 14/21 zur Entscheidung vom 16. Juni 2021, 6 AZR 390/20).
Zum Hintergrund.
Der Kläger war bei einer Arbeitgeberin tätig, die ein Krankenhaus betreibt. Auf das Arbeitsverhältnis war der TVöD in der für kommunale Arbeitgeber geltenden Fassung anwendbar. Die Arbeitgeberin gliederte sodann einige Aufgaben auf eine „System GmbH“ aus, was zu einem Betriebsteilübergang führte, der auch den Kläger betraf. Der Kläger widersprach jedoch dem Übergang seines Anstellungsverhältnisses. Die Arbeitgeberin nutzte daraufhin die Möglichkeit der Personalgestellung gem. § 4 Abs. 3 TVöD: das Arbeitsverhältnis besteht zwar mit ihr fort, das fachliche und organisatorische Weisungsrecht wurde aber auf die System GmbH übertragen. Für diese musste der Kläger fortan seine Arbeitsleistung erbringen. Eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis besaß die Arbeitgeberin nicht.
Der Kläger sah in dem Einsatz einen Verstoß gegen europäisches Recht und meint, dass eine rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung vorliege.
Die Entscheidungen.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Das BAG hat – nur konsequent – in der Sache noch keine Entscheidung getroffen, sondern dem EuGH zwei Auslegungsfragen vorgelegt:
Der EuGH soll beurteilen, ob die Personalgestellung im Sinne der tarifvertraglichen Regelung unter den Schutzzweck der Leiharbeitsrichtlinie fällt. Sollte das der Fall sein ist die zusätzliche Frage zu beantworten, ob die in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG geregelte Bereichsausnahme zulässig ist.
Ausblick.
Nicht wirklich überraschend wurde die spannende Frage vom BAG nicht direkt geklärt, sondern die Auslegung des Unionsrechts in zutreffender Weise an den EuGH übergeben. Derartige Vorabentscheidungsverfahren dauern durchschnittlich 16 Monate, so dass erst im Herbst 2022 mit einer Klärung der offenen Rechtsfragen zu rechnen ist. Bis dahin kann weiter unter den derzeitigen Regelungen verfahren werden.
Die Entscheidung des EuGH ist aber unbedingt im Blick zu behalten, da sich bei einer Europarechtswidrigkeit der derzeitigen Bereichsausnahme schnell die Frage stellen wird, wie die bisherigen „Personalgestellungen“ dann auf neue und rechtmäßige Füße gestellt werden können.
Neben der Möglichkeit, eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis einzuholen, wird man dann auch alternative Gestaltungen wie beispielsweise die Gestaltung eines Gemeinschaftsbetriebs, der eine Arbeitnehmerüberlassung regelmäßig ausschließt, prüfen können und müssen.
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Astrid Krüger berät nationale und internationale Unternehmen umfassend im Bereich des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts und angrenzender Rechtsgebiete und begleitet Restrukturierungen und Transaktionen.