Immer wieder kommt es zu Änderungen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts („BAG“), auch wenn sie zuvor jahrelang anders praktiziert wurde. Gerade im Bereich der arbeitsrechtlichen Vertragsgestaltung gilt es daher, stets „up to date“ zu sein. Mit einer nun veröffentlichten Entscheidung hat sich das BAG mit den sogenannten „Verfallklauseln“ oder auch „Ausschlussklauseln“ befasst und seine Rechtsprechung geändert (vgl. BAG Urteil vom 26. November 2020 - 8 AZR 58/20).
Hintergrund.
Ausschlussklauseln sind in vorformulierten Arbeitsverträgen häufig enthalten und sollen bewirken, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist außergerichtlich beziehungsweise gerichtlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden. Das soll dazu führen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht bis zum Ablauf der Verjährungsfrist warten müssen, um Rechtsklarheit über etwaige noch bestehende gegenseitige Ansprüche zu haben.
Neben vielen weiteren Vorgaben für die Wirksamkeit der Verfallklauseln durch Gesetz und Rechtsprechung mussten Klauseln laut dem BAG bisher Ansprüche auf vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung nicht explizit ausgenehmen, um wirksam zu sein (vgl. etwa BAG, Urteil vom 20. Juni 2013, Az.: 8 AZR 280/12). Eine Ausschlussfrist sei so auszulegen, dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen soll und vorsätzliche Pflichtverletzungen und unerlaubte Handlungen würden nicht hierzu gehören.
Die Entscheidung.
In Bezug auf die im nun entschiedenen Fall zu bewertenden Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers gegen eine Arbeitnehmerin urteilte das BAG nun genau andersherum, nämlich dass Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung von der Ausschlussklausel erfasst sind, wenn diese nicht ausdrücklich ausgenommen wurden. Folge dessen ist, dass ohne eine ausdrückliche Ausklammerung dieser Ansprüche die gesamte Verfallklausel in den vorformulierten Verträgen unwirksam wäre. Pauschale Verfallklauseln sind nun also wegen Verstoßes gegen § 202 I BGB nach § 134 BGB nichtig, § 306 BGB. Das bedeutet, dass für diese wie auch für alle anderen Ansprüche (auch die des Arbeitnehmers) aus dem Vertragsverhältnis „nur“ die gesetzlichen Verjährungsfristen gelten.
Auch Arbeitgeber kann sich auf Unwirksamkeit berufen.
Aus Sicht der Arbeitgeber erfreulich ist, dass das BAG in dieser Entscheidung abweichend von der vorangegangenen Rechtsprechung entschieden hat, dass sich in diesem Sonderfall der Arbeitgeber ebenfalls auf die Nichtigkeit der Klausel berufen kann.
Handlungsempfehlung.
In Verfallklauseln müssen künftig Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung ausdrücklich ausnehmen. Selbiges wird bei konsequenter Umsetzung der Urteilsbegründung auch für Ansprüche aus grober Fahrlässigkeit gelten.
Des Weiteren wird durch diese Entscheidung die zuletzt immer wieder erkennbare „Differenzierungstendenz“ bestätigt: In Zukunft wird mit weiteren Entscheidungen zu rechnen sein, in denen andere pauschale Ausnahmen von der im Vertrag verankerten Verfallfrist nicht als wirksam angesehen werden wird.
Arbeitgeber sind dringend angehalten, immer wieder ihre Musterarbeitsverträge und ganz aktuell ihre Verfallfristen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Markus Söding ist im Arbeitsrechtsressort unserer Sozietät tätig. Er berät national sowie international tätige Unternehmen in allen Fragestellung des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, inklusive angrenzender Rechtsgebiete, wie denen des Sozialrechts.