Für Arbeitgeber bedeutet die nachträgliche Feststellung des Arbeitnehmerstatus eines „freien Mitarbeiters“ ein erhebliches finanzielles Risiko. Denn auf Grundlage der geleisteten Bezahlung können Sozialversicherungsträger schon bei fahrlässiger Verkennung dieses Status für vier Jahre rückwirkend Nachzahlungen fordern.
Problem.
Ein weitreichender Rückgriff des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer ist nur in begrenzten Fällen möglich. Nach bisheriger Rechtsprechung war beispielsweise ein Anspruch auf Rückzahlung von Teilen der Bezahlung ausschließlich denkbar, wenn aufgrund eines differenzierenden (tariflichen) Vergütungssystems feststand, dass der „freie Mitarbeiter“ als Arbeitnehmer weniger Gehalt bekommen hätte.
Aktuelle Entscheidung.
Nach dem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 26. Juni 2019 – 5 AZR 178/18) ist ein Rückgriff auf Überzahlung leichter möglich, weil die mit dem „freien Mitarbeiter“ getroffene Vergütungsabrede nach Feststellung des Arbeitnehmerstatus regelmäßig und nicht nur in den Sonderfällen, in denen ein besonderes Vergütungssystem besteht, unwirksam wird.
Hintergrund ist, dass freien Mitarbeitern im Vergleich zu Arbeitnehmern typischerweise höhere Beträge gezahlt werden, da sie sich privat absichern müssen.
Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers fällt nach dem Urteil auf die „übliche Vergütung“ zurück, der Arbeitnehmer ist im Regelfall also überzahlt worden. Wegen dieser Überzahlung, ohne dass es dafür einen wirksamen Rechtsgrund gibt, kann der Arbeitgeber Rückzahlung verlangen.
Umfang.
Das BAG ließ offen, wie im Konkreten auf die Höhe der „üblichen Vergütung“ zu schließen ist – insoweit wurde der Rechtsstreit auf das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Grundsätzlich aber kann der Arbeitgeber die Differenz zwischen der ursprünglich vereinbarten Bezahlung und der üblicherweise für einen Arbeitnehmer anfallenden Vergütung für einen Zeitraum von drei Jahren zurückfordern. Zulasten des Arbeitgebers müssen allerdings diejenigen Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag berücksichtigt werden, die dieser kraft Gesetzes zu tragen hat.
Zudem deutete das BAG an, dass sich der Arbeitnehmer gegen den Anspruch des Arbeitgebers zumindest bei variabler Höhe der tatsächlich bezogenen Bezahlung nicht mit dem Einwand wehren kann, er habe das erhaltene Geld im Vertrauen auf die Richtigkeit ausgeben dürfen und müsse dieses daher nicht zurückzahlen.
Ausblick.
Es bleibt abzuwarten, ob in der Konsequenz auch die Berechnung der Rückforderungssumme durch die Sozialversicherungsträger, die bislang auf Basis der an den „freien Mitarbeiter“ geleisteten Zahlung festgelegt wird, ebenfalls an der „üblichen Vergütung“ im Sinne dieses Urteils zu bemessen ist.
Praxis.
Arbeitgeber sind trotz der Erweiterung ihrer Möglichkeiten unbedingt gehalten, weiterhin Scheinselbstständigkeiten zu vermeiden. Ein besonderer Fokus sollte auf die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern gelegt werden. Dies gilt nicht nur bei der Gestaltung der Verträge, sondern gerade auch bei der tagtäglichen Zusammenarbeit.