Mit dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard („ASS“) hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales („BMAS“) im April 2020 erste konkrete Anforderungen an den Arbeitsschutz in der Coronakrise gestellt, die wir in unserem Blogbeitrag „Neuer SARS-COV-2-Arbeitsschutzstandard“ zusammengefasst haben.
Dieser Standard wurde nun aktualisiert und enthält in vielen Punkten detaillierte Anforderungen, zum Beispiel zur Gestaltung von Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen.
Zweck des ASS ist, den Unternehmen Regelungen an die Hand zu geben, bei deren Umsetzung sie davon ausgehen dürfen, rechtsicher zu handeln. Sofern Unternehmen neue Maßnahmen im Sinne des ASS ergreifen, muss bei deren Umsetzung geprüft werden, ob ein vorhandener Betriebsrat zu beteiligen ist. Dies kann zum Beispiel nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 7 BetrVG der Fall sein.
Folgend eine Übersicht zu den aktuellen Anforderungen:
Allgemeine Maßnahmen.
Nach Begriffsbestimmungen und dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer epidemie-angepassten Gefährdungsbeurteilung nennt der ASS vorab einige grundlegende Maßnahmen, durch die der Infektionsschutz sichergestellt werden soll. Zentrale Punkte sind
- die Anzahl ungeschützter Kontakte zwischen Personen zu minimieren,
- die Konzentration an Viren in den Arbeitsbereichen etwa durch Reinigung und Lüften zu verringern sowie
- dort, wo Abstandsregeln nicht eingehalten werden können, das Tragen von Masken, mindestens von Mund-Nasen-Bedeckungen („MNS“), zu organisieren. Bei hohem Infektionsrisiko sind mindestens FFP2-Masken einzusetzen. Das gilt bei unmittelbaren Interaktionen mehrerer Arbeitnehmer auch dann, wenn einer der Beteiligten keine Maske tragen kann.
Konkrete Regelungen.
Das BMAS hat zudem zur Sicherstellung des Arbeitsschutzes 17 technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen (sog. „TOP-Maßnahmen“) aufgestellt, die sogenannten „C-ASS“. Im Einzelnen sehen diese C-ASS vor:
C-ASS 1: Arbeitsplatzgestaltung.
Arbeitsplätze sind so zu gestalten, dass stets ein Sicherheitsabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Dazu sind ggf. Mobiliar sowie Arbeitsflächen umzunutzen oder umzugestalten.
Wo Abstände nicht eingehalten werden (können) und es zu Zusammentreffen von über 15 Minuten kommen kann, sind als technische Maßnahmen Abtrennungen zu installieren. Diese müssen bei Sitzarbeitsplätzen mindestens 1,5 Meter und bei Steharbeitsplätzen mindestens 2 Meter über dem Boden enden. Wo nötig dürfen Aussparungen vorgesehen werden.
C-ASS 2: Sanitärräume, Kantinen und Pausenräume.
Auch bei der Gestaltung von Sanitärräumen ist ein Sicherheitsabstand von 1,5 Metern sicherzustellen. Für die Handhygiene sind zudem fließendes Wasser, hautschonende Flüssigseife, Einmalhandtücher sowie gegebenenfalls Hautschutz- und -pflegemittel bereitzustellen. Das gilt auch für mobile oder abgelegene Arbeitsplätze, gegebenenfalls unter Einsatz von Wasserkanistern und Handdesinfektionsmitteln.
Umkleide- und Waschräume sind ebenfalls so zu gestalten, dass der Sicherheitsabstand eingehalten werden kann. Dazu sind gegebenenfalls Markierungen anzubringen oder aber auch eine Begrenzung der Nutzerzahl oder eine Einführung von versetzter Nutzung einzuführen.
Sanitärräume sind zudem mindestens einmal pro Arbeitstag zu reinigen.
Auch Pausenräume und Kantinen sind durch Gestaltung oder Organisation so zu gestalten, dass Sicherheitsabstand eingehalten werden kann. Zudem sind dort Möglichkeiten der Handhygiene bereitzustellen.
C-ASS 3: Lüftung.
Die Konzentration von möglicherweise in der Raumluft vorhandenen virenbelasteten Aerosolen ist durch regelmäßiges Lüften sicherzustellen. Dies sollte schon vor der Epidemie nach ASR A3.6 in Büroräumen mindestens alle 60 Minuten in Besprechungsräumen mindestens alle 20 Minuten durch „Stoßlüften“ von 3 bis 10 Minuten geschehen. Mindestens diese Standards sind auch weiterhin einzuhalten.
Soweit Klimaanlagen („RLT-Anlage“) genutzt werden, müssen diese über einen geeigneten Filter verfügen, der Viren „aussieben“ kann oder einen hohen Außenluftanteil zuführen. RLT-Anlagen sollen während den Betriebszeiten nicht abgeschaltet und ohne entsprechende Filter auch nicht auf Umluft gestellt sein.
Ventilatoren oder Geräte zur Erwärmung sind in der Regel nur in Einzelbüros zulässig, um eine Verteilung der Aerosole in einem durch mehrere Personen genutzten Büro zu verhindern.
C-ASS 4: Besondere Arbeitsstätten.
Auch auf Baustellen müssen Möglichkeiten zur Handhygiene sowie Waschgelegenheiten und Toiletten vorhanden sein. Mobile Toiletten sollen mit fließendem Wasser bereitgestellt werden; ist das nicht möglich sind zumindest Handwaschgelegenheiten vorzuhalten.
Soweit Wassertanks verwendet werden, ist deren Befüllung an die zu erwartende höhere Nutzung von Wasser anzupassen.
Die Sanitärräume und -einrichtungen sind mindestens einmal pro Tag zu reinigen.
Im Rahmen der Landwirtschaft und Forstwirtschaft sind auch außerhalb des Geländes eines Betriebs Möglichkeiten zur Handhygiene, mindestens zur Handdesinfektion vorzuhalten.
Beschäftigte im Außendienst oder Lieferdienst sind ebenfalls mit Mitteln zur Handdesinfektion auszustatten. Bei Kundenkontakt sind Abstände einzuhalten und mindestens MNS zu tragen. Zudem muss überprüft werden, ob vereinzeltes Arbeiten möglich ist. Soweit möglich, sind Kunden und Auftraggeber über erforderliche Sicherheitsmaßnahmen zu informieren; bei Bedarf, etwa wenn Infektionsverdacht besteht oder sogar eine Erkrankung bestätigt ist, sind Schutzmaßnahmen zu koordinieren.
Soweit eine betriebliche Fahrt erforderlich ist, ist die gemeinsame Nutzung von Dienstwagen möglichst zu vermeiden. Wird ein Fahrzeug gemeinsam von mehreren Personen genutzt – sei es gleichzeitig oder zeitlich nachfolgend – ist der jeweils betroffene Personenkreis – etwa durch Gruppenbildung – einzuschränken. Innenräume sind regelmäßig zu reinigen.
C-ASS 5: Unterkünfte.
Werden Arbeitnehmer gemeinsam in Unterkünften untergebracht, gilt das Grundprinzip „Zusammen Wohnen – Zusammen Arbeiten“. Es ist eine verbindliche Zimmer- und Wohnaufteilung vorzunehmen, durch die eine Trennung von den verschiedenen Gruppen ermöglicht wird. Bestenfalls gibt es dafür verschiedene Unterkünfte, notwendig sind aber in jedem Fall unterschiedliche Bereiche der Unterkunft und die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zueinander.
Grundsätzlich bedeutet das auch, dass Schlafräume nur einzeln belegt werden sollen. Bei Mehrfachbelegung sind Betten so anzuordnen, dass der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern einzuhalten ist.
Die Trennung von verschiedenen Arbeitsgruppen ist auch bei Nutzung der Sanitärräume zu gewährleisten – entweder durch Bereitstellung von verschiedenen Sanitärräumen oder aber durch zeitlich getrennte Nutzung.
Die Unterkünfte sind mindestens täglich zu reinigen, Flüssigseife und Einmalhandtücher sind vorzuhalten. Auch viruzide Desinfektionsmittel sind zur Verfügung zu stellen. Geschirr und Wäsche sind bei mindestens 60 Grad und regelmäßig zu waschen bzw. zu reinigen.
Für den Fall einer Infektion sind Ersatzunterkünfte in ausreichender Zahl bereitzustellen. Diese müssen mit eigenen sanitären Anlagen ausgestattet sein. Vorsorglich sind Planungen anzustellen, wie bei Infektionen vorzugehen ist; untergebrachte Beschäftigte sind in die Regelungen zur Nutzung der Unterkünfte sowie zusätzliche Verhaltensweisen, etwa Abstandsregeln, Husten-/Niesetikette und Handhygiene in einer für die Beschäftigen verständlichen Art zu unterweisen.
C-ASS 6: Homeoffice.
Homeoffice wird als Chance beschrieben, die Ansteckungsgefahr durch Anwesenheit im Büro zu verringern. Arbeitgeber sollten daher prüfen, inwieweit ein Einsatz im Homeoffice möglich ist.
Soweit Beschäftigte im Homeoffice tätig werden können, sollen Regelungen für die Arbeitszeiten und Erreichbarkeit getroffen werden. Beschäftigte sind über die Einhaltung von Arbeitszeiten, aber auch hinsichtlich der ergonomischen Einrichtung und Nutzung des Arbeitsplatzes zu unterrichten. Sofern für Homeoffice technische Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, muss der Arbeitgeber dieses durch geeignete Arbeitsorganisation sicherstellen.
C-ASS 7: Dienstreisen und Besprechungen.
Dienstreisen und Besprechungen sind auf das notwendige Maß zu beschränken und soweit möglich durch elektronische Kommunikation zu ersetzen.
Bei der gemeinsamen Nutzung von Dienstwagen ist der Sicherheitsabstand zu wahren. Sofern das nicht möglich ist, sollen soweit zulässig Abtrennungen installiert werden oder aber FFP2-Masken ohne Ausatemventil getragen werden. Zudem ist die Handhygiene, mindestens durch Desinfektionsmittel, sicherzustellen.
Auch im Besprechungsraum sind Abstandsregeln einzuhalten und ist eine ausreichende Belüftung sicherzustellen.
C-ASS 8: Sicherstellung ausreichender Schutzabstände.
Schutzabstände sind bei Verkehrswegen durch Einrichtung von „Einbahnstraßen“ sicherzustellen. Ersatzweise kann bei ausschließlich kurzen Begegnungen auch eine Anpassung der Lüftung geprüft werden.
Auf Warte- und Stehflächen ist der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern mittels Markierungen sicherzustellen und ebenfalls für eine ausreichende Lüftung zu sorgen.
Bei der Nutzung von Aufzügen ist unter Beachtung der Abstandsregeln eine Beschränkung der Personenzahl zu prüfen oder das Tragen von MNS einzuführen.
C-ASS 9: Arbeitsmittel / Werkzeuge.
Arbeitsmittel und Werkzeuge sollen soweit möglich nur von einer Person genutzt werden. Ist das nicht möglich, sind sie vor jedem Weitergeben zu reinigen. Das gilt insbesondere für die Bereiche, die in Kontakt mit den Beschäftigten gekommen sind, also beispielsweise Telefonhörer, Tischplatten und Lenkräder. Eine vorsorglich Flächeninfektion wird nicht als notwendig erachtet.
C-ASS 10: Arbeitszeit- und Pausengestaltung.
Bei der Arbeitszeit- und Pausengestaltung sind auch die psychischen Belastungen der Arbeitnehmer zu bedenken. Beginn und Ende der Arbeits- und Pausezeiten sind so zu organisieren, dass enges Zusammentreffen von Beschäftigten verhindert wird und dass Abstände eingehalten werden können.
Bei der Aufstellung von Schichtplänen oder Arbeitsgruppen ist darauf zu achten, dass möglichst dieselben Personen zusammenarbeiten und dass innerbetriebliche Personenkontakte auf das notwendige Maß reduziert werden.
C-ASS 11: Aufbewahrung von Arbeitskleidung und persönlicher Schutzausrüstung.
Arbeitskleidung und persönliche Schutzausrüstung ist personenbezogen zu benutzen, wenn nicht eine Erhöhung des Infektionsrisikos ausgeschlossen ist. Das kann etwa bei Absturzsicherungen der Fall sein. Darüber hinaus kann auch die Ermöglichung getrennter Aufbewahrung von Arbeits- und Freizeitbekleidung notwendig sein.
Sollte die Nutzung von Arbeitskleidung oder persönlicher Schutzausrüstung nicht nur personenbezogen möglich sein, sind diese vor dem Weiterreichen zu reinigen.
C-ASS 12: Zutritt betriebsfremder Personen zu Arbeitsstätten und Betriebsgelände.
Soweit betriebsfremde Personen Zutritt zu Arbeitsstätten und Betriebsgeländen haben, sind auch in diesen Fällen Abstandsregeln, notfalls Abtrennungen und auch das Tragen von MNS sicherzustellen. Wenn Personen länger als 15 Minuten vor Ort sind, sind diese auch auf die Nutzung von Sanitäranlagen und Handhygiene hinzuweisen.
C-ASS 13: Handlungsanweisung für Verdachtsfälle.
Personen, bei denen der Verdacht auf eine Infektion besteht, haben der Arbeitsstätte fernzubleiben beziehungsweise sie unverzüglich zu verlassen und sich gegebenenfalls in ärztliche Behandlung zu begeben. Nicht mehr Teil des ASS ist die Vorhaltung von kontaktlosen Fiebermessungen.
C-ASS 14: Berücksichtigung psychischer Belastungen.
Arbeitgeber sind zudem angehalten, psychische Belastungen der Beschäftigten zu beobachten, die Situationen und Arbeitsabläufe fortlaufend zu analysieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
C-ASS 15: Mund-Nase-Bedeckung und persönliche Schutzausrüstung.
Sofern andere organisatorische Maßnahmen nicht zu einer ausreichenden Minimierung der Infektionsgefahr führen, sind individuelle Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Masken oder gleichwertige Maßnahmen in Absprache mit den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern durchzuführen.
Soweit Masken eingesetzt werden, ist die erschwerte Atmung zu berücksichtigen und sind Tragezeiten oder regelmäßige, zusätzliche Pausen zu prüfen. Masken sollen spätestens dann gewechselt werden, wenn sie durchfeuchtet sind.
Gesichtsschutzschilder sind nur begrenzt wirksam, dienen allein dem Eigenschutz und sollten durch das Tragen von Masken ergänzt werden.
C-ASS 16: Unterweisung und aktive Kommunikation.
Auch in der Epidemiesituation müssen Arbeitsschutzunterweisungen nach § 12 ArbSchG – notfalls digital – vorgenommen werden. Wenn eine Anpassung der Abläufe und Organisation zum Schutz vor einer Infektion vorgenommen werden muss, muss dazu ebenfalls unterwiesen werden. Für die Unterweisung bei Leiharbeitnehmern ist der Entleiher zuständig. Die Schutzmaßnahmen sind in verständlicher Weise zu erklären.
C-ASS 17: Arbeitsmedizinische Vorsorge.
Auch arbeitsmedizinische Vorsorge ist weiterhin zu betreiben. Für den Fall, dass Atemmasken getragen werden müssen, ist dies auch dann der Fall, wenn eine Maske länger als 30 Minuten pro Tag getragen werden soll.
Weitere Maßnahmen.
Besonders hervorgehoben ist der Umgang mit besonders schutzbedürftigen Beschäftigten und mit der Rückkehr zur Arbeit nach einer Infektion beziehungsweise einer Erkrankung.
Bei Beschäftigten, die besonders schutzwürdig sind, sind die ergriffenen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Besonderheiten zu prüfen und gegebenenfalls weiter angemessene Maßnahmen zu ergreifen.
Nach Rückkehr zur Arbeit sind die Beschäftigten über etwaige organisatorische Neuerungen zu informieren. Zur leichteren Reintegration von vormals erkrankten Beschäftigten, kann eine umfassende Information der Beschäftigten über den aktuellen Stand der Wissenschaft, insbesondere über zum Ansteckungsrisiko oder auch zum Risiko von Neuerkrankungen hilfreich sein.