Im Blogbeitrag „Unfall im Homeoffice – Arbeitsunfall oder privater Bereich?“ wurde im April 2021 dargestellt, wie einzelfallbezogen zum gesetzlichen Versicherungsschutz bei Unfällen im häuslichen Arbeitsumfeld geurteilt wurde.
Seitdem hat sich viel getan: durch das „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ wurde der Versicherungsschutz für das „Homeoffice“ angepasst und soll der Tätigkeit im Büro gleichgestellt werden. Ganz erledigt hat sich die einzelfallbezogene Bewertung von Treppenstürzen aber nicht, wie ein aktuelles Urteil zeigt (BSG, Urteil vom 8. Dezember 2021, B 2 U 4/21 R).
Gesetzliche Änderung.
Etwas „sachfremd“ enthielt das sogenannte Betriebsrätemodernisierungsgesetz im Juni 2021 eine Anpassung des für den gesetzlichen Unfallschutz zentralen § 8 SGB VII. Dort wurde in Satz 3 ergänzt: „Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz im gleichen Umfang wie bei der Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.“.
Eine weitere Ergänzung betrifft die Wegeunfälle: Eine versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten (…) fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird“.
Auswirkungen der Änderung.
In gewissem Maße bestand auch zuvor gesetzlicher Unfallschutz im „Homeoffice“, etwa bei notwendigen Betriebs- oder Arbeitswegen im eigenen Haushalt. Umfasst sind etwa der Gang vom Schreibtisch zum Drucker, der in einem anderen Raum steht. Der Unfallschutz galt aber nicht für Wege zur Getränke- oder Nahrungsaufnahme und zum Toilettengang, obwohl sie im Betrieb versichert waren. Diese Versicherungslücke soll nun geschlossen werden, durch die Ergänzung des § 8 SGB VII wird nun auch für diese Wege Versicherungsschutz gewährt. Klargestellt wird auch, dass direkte Wege zu Einrichtungen wie der KiTa auch aus dem „Homeoffice“ versichert sind. Damit wird die Ungleichbehandlung beseitigt, die gerade wegen der fortschreitenden Digitalisierung und der „Homeoffice-Pflicht“ während der Corona-Pandemie immer relevanter wurde.
Trotzdem: Versicherungsschutz bei Treppensturz bleibt problematisch.
Auch wenn sich nun weite Teile der Jurisdiktion zu Treppenstürzen erledigt haben, bleibt der Rechtsprechung immer noch genug Spielraum, sich weiter mit diesem „Klassiker“ des Sozialrechts zu beschäftigen. So ging es in einem aktuellen Urteil (BSG, Urteil vom 8. Dezember 2021, B 2 U 4/21 R) um die Frage, ob der direkte Weg aus dem Bett zum heimischen Arbeitsplatz gesetzlich unfallversichert ist oder nicht. Der Kläger begann üblicherweise unmittelbar nach dem Aufstehen mit der Arbeit – ohne vorher „Richtung Frühstück abzubiegen“. Das Bundessozialgericht nahm einen gesetzliche versicherten Arbeitsunfall an. Den Richtern zufolge habe das Beschreiten der Treppe ins „Homeoffice“ allein der erstmaligen Arbeitsaufnahme gedient und sei deshalb als „Verrichtung im Interesse des Arbeitgebers“ als Betriebsweg versichert gewesen.
Vermutlich hätte das Urteil anders gelautet, wenn der Kläger zunächst ins Bad oder in die Küche gegangen wäre, um dort zu frühstücken – auch wenn das sicherlich ebenfalls grundsätzlich dem Interesse des Arbeitgebers gedient hätte…
Markus Söding ist im Arbeitsrechtsressort unserer Sozietät tätig. Er berät national sowie international tätige Unternehmen in allen Fragestellung des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, inklusive angrenzender Rechtsgebiete, wie denen des Sozialrechts.