Endlich gibt es auch mal gute Neuigkeiten zu berichten: nachdem der Verfall und die Verjährung von Urlaubsansprüchen im laufenden Arbeitsverhältnis nach dem EuGH und in der Folge auch dem BAG nur noch unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, bleibt es bei den Urlaubsabgeltungsansprüchen im Wesentlichen bei den ursprünglichen Grundsätzen – diese unterliegen weiterhin der Verjährung.

Hintergrund.

Das Bundesarbeitsgericht hatte mit seiner Entscheidung (Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20) kurz vor Weihnachten vorzeitig die Bescherung für Arbeitnehmer eingeläutet.

In der Folge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 06. November 2018, Az. C-684/16 entschieden die Richter aus Erfurt grundsätzlich über den Verfall und die Verjährung von gesetzlichen Mindesturlaubsansprüchen:

Beides greift nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und im Hinblick auf die Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen.

Kommt der Arbeitgeber dieser Mitwirkungsobliegenheit nicht nach, bleiben die Ansprüche aus den Vorjahren bestehen und können auch noch mehrere Jahre später geltend gemacht werden. Insbesondere die Hoffnung, dass zumindest die dreijährige Verjährungsfrist dennoch greift, hat sich nicht erfüllt.

Die aktuelle Entscheidung.

Unbeantwortet geblieben war noch die Frage, ob diese Grundsätze auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch gelten. Ein solcher Abgeltungsanspruch entsteht nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses: nicht genommener Urlaub ist vom Arbeitgeber abzugelten. Verjähren also auch diese Ansprüche nur dann, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten erfüllt hat?  

Die Antwort auf diese Frage wird Arbeitgeber erfreuen: Mit seinen beiden Entscheidungen vom 31. Januar 2023 (Az.: 9 AZR 456/20 und Az.: 9 AZR 244/20) hat das BAG entschieden, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch – anders als der Urlaubsanspruch – auch dann der regelmäßigen Verjährung unterliegt, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist.

Schon ausgeschiedene Mitarbeiter, die mitunter weniger Probleme damit haben, den ehemaligen Arbeitgeber zu verklagen als solche im laufenden Arbeitsverhältnis, können also nicht bis in alle Ewigkeit Ansprüche zurück geltend machen.

Im Übrigen finden auch Ausschlussfristen Anwendung.

Als Begründung führte der Senat aus, dass die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zäsur bilde und mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses auch die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers entfalle. Außerdem sei der Urlaubsabgeltungsanspruch anders als der Urlaubsanspruch nicht auf den Erholungszweck gerichtet, sondern beschränke sich auf die finanzielle Kompensation.

EuGH-Entscheidung als zeitliche Zäsur.

Eine kleine Einschränkung machten die Erfurter Richter aber:

In dem zu entscheidenden Fall hatte ein Mitarbeiter einen Urlaubsabgeltungsanspruch in Bezug auf die Jahre 2010 bis 2015 gerichtlich geltend gemacht. Er war im Jahr 2015 aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden und hatte dann im Jahr 2019 Klage erhoben. Die Richter sprachen ihm die Ansprüche in Bezug auf die Jahre 2010 bis 2014 zu – und sahen nur die aus dem Jahr 2015 als verjährt an.

Sie stellten hierzu fest, dass die Frist nicht habe beginnen können, solange eine Klageerhebung aufgrund gegenteiliger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zumutbar gewesen sei. So lag es auch hier: Der Kläger konnte bis zu der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 06. November 2018 (Az. C-684/16) zu den Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers nicht davon ausgehen, dass er aus den Jahren 2010 bis 2015 überhaupt noch Urlaubsansprüche haben würde, die abzugelten wären. Vor dieser Entscheidung entsprach es der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass nicht genommener Urlaub zum Ende des Kalenderjahres, spätestens aber zum 31. März des Folgejahres verfiel – sofern es sich nicht um einen Langzeitkranken handelte. Etwaige Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers waren bis dahin nie Thema gewesen.

Das gleiche gelte im Übrigen auch für Verfallfristen: auch diese würden erst ab der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 06. November 2018 zu laufen beginnen.

Da der Kläger jedoch erst im Jahr 2019 seine Klage erhoben hatte, waren die Ansprüche aus dem Jahr 2015 bereits verjährt. Diese hätte er 2018 geltend machen müssen. Denn in Bezug auf diese Abgeltungsansprüche aus dem Jahr der Beendigung galt schon immer, dass die Verjährungsfrist am Ende des Ausscheidensjahres beginnt.  

Bedeutung für die Praxis.

Arbeitgeber können diesbezüglich aufatmen. Mit diesen Entscheidungen schiebt das Bundesarbeitsgericht der zeitlich unbegrenzten Inanspruchnahme von ehemaligen Arbeitgebern auf Auszahlung von Urlaubsabgeltungsansprüchen einen Riegel vor.

Sofern ausgeschiedene Mitarbeiter also derartige Ansprüche geltend machen, sind Unternehmen gut beraten, gründlich Verfall- und Verjährungsfristen zu prüfen. Auch ohne die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten müssen nicht alle Ansprüche aus der Vergangenheit noch erfüllt werden.

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Astrid Krüger berät nationale und internationale Unternehmen umfassend im Bereich des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts und angrenzender Rechtsgebiete und begleitet Restrukturierungen und Transaktionen.