I. Grundlagen
Das Mahnbescheidverfahren ist attraktiv, vor allem wenn es um die zügige Wahrung von Verjährung bedrohtern Ansprüchen geht. Allerdings ist mit Widerspruch und Einspruch auch die Verteidigung im ersten Schritt unaufwändig.
Nach § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO hat der Antragsteller in der Antragschrift anzugeben, an welches Streitgericht der Rechtsstreit im Fall von Widerspruch oder Einspruch abgegeben werden soll. Das dafür nach § 703c ZPO eingeführte Formular sieht in Zeile 45 vor, dass der Antragsteller dabei auch angibt, ob das streitige Verfahren – bei sachlicher Zuständigkeit des Landgerichts – vor der Zivil- oder Handelskammer verhandelt werden soll. Etwas anders verhält es sich beim Stellen eines Online-Mahnantrags. Hier wird das für das streitige Verfahren zuständige Gericht zunächst automatisch durch das Programm auf Grundlage des angegeben Streitwertes generiert. Die funktionale Zuständigkeit wird dabei jedoch nicht berücksichtigt. Es findet also nur eine Unterscheidung zwischen Amts- und Landgerichten statt. In einem zweiten Schritt kann der Antragsteller jedoch die automatisch generierte Zuweisung ändern und beispielsweise die Kammer für Handelssachen auswählen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was passiert, wenn die automatische Zuweisung zur Zivilkammer stehen bleibt, obwohl das Streitgericht eigentlich die Kammer für Handelssachen sein sollte. Kann der Kläger sie dann immer noch an die Kammer für Handelssachen bringen? Eine ausdrückliche Regelung insoweit fehlt.
II. Möglicher und spätester Zeitpunkt des Verweisungsantrags
Nach § 96 Abs. 1 GVG ist ein Antrag, den Rechtsstreit vor der Kammer für Handelssachen zu verhandeln, für die Klägerseite „in der Klageschrift“ zu stellen. Mit der Zustellung der Klageschrift wird die Klage erhoben, § 253 Abs. 1 ZPO. Es handelt sich um das das Verfahren eröffnende Instrument.
Im Mahnbescheidverfahren ist das erste Schriftstück an das (Mahn-)Gericht allerdings der (elektronisch übermittelte) Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids. Dass der Beklagte nach Widerspruch beziehungsweise Einspruch noch einen Antrag auf Verweisung stellen kann, dürfte klar sein, § 98 Abs. 1, 101 GVG.
Ist nun die Online-Antragstellung die einzige Möglichkeit für den Kläger, den Rechtsstreit vor die KfH zu bringen? Richtigerweise wird dies auch noch in der Anspruchsbegründung fristgemäß (s. § 697 Abs. 1 S. 2 ZPO) erfolgen können:
Denn wenn die „Klage“ durch die Zustellung der Klageschrift erhoben wird, erfüllt die Antragsstellung als der Klageschrift entsprechendes Instrument der Verfahrenseröffnung nicht alle Anforderungen an die Klageschrift, wie sie § 253 ZPO stellt, weil „Gegenstand“ und „Grund“ nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO mangels Sachverhaltsdarstellung im Antragsformular nicht abgebildet werden können.
Die Entsprechung der Anspruchsbegründungsschriftt mit der Klageschrift drückent auch § 697 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 ZPO aus: „… in einer der Klage-schrift entsprechenden Form zu begründen“ beziehungsweise „Bei Eingang der Anspruchsbegründung ist wie nach Eingang einer Klage weiter zu verhandeln.“
Da auch der Antragsgegner die Abgabe verlangen kann, wäre es verkürzend, die Verweisungsmöglichkeit nur der Antragsschrift vorzubehalten.
Einen Zeitpunkt nach der Anspruchsbegründung wird man allerdings nicht wählen können, da es keinen Grund gibt, das Verfahren, das durch Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids eröffnet wurde, gegenüber den durch Einreichung einer Klageschrift eröffneten Streitverfahren zu begünstigen (OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 1471; so jüngst auch LG Landau, Beschl. v. 8. Mai 2019 [ohne Gründe], 4 O 125/19; Musielak/Voit,16. Auflage 2019 ZPO § 690 Rn. 9; Stein/Jonas/Berger 23. Auflage ZPO § 690 Rn.16; vgl. auch OLG Frankfurt v. 9. Mai 1980 – Az. 20 AR 16/80; anders Eith, MDR 1996, 1099)
III. Praktischer Hinweis
In der Praxis empfiehlt es sich, bereits mit Antragstellung anzugeben, ob die Sache für das streitige Verfahren an die Zivilkammer oder die Kammer für Handelssachen abgegeben werden soll.
Vor allem aber vor dem Hintergrund, dass bei einem Online-Mahnantrag eine automatisch generierte Zuweisung die funktionale Zuständigkeit unberücksichtigt lässt, kann es leicht vorkommen, dass im Mahnantrag als Streitgericht aus Versehen die Zivilkammer angegeben wird, obwohl die Bezeichnung der Handelskammer gewollt war. In diesem Fall ist es jedoch nicht zu spät, die Bezeichnung der Handelskammer nachzuholen. Nach hinreichend gefestigter Rechtsprechung kann die Bezeichnung der Handelskammer auch erst in der Anspruchsbegründungschrift erfolgen.
Christoph Just LL.M., Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, ist Partner in unseret Frankfurter Sozietät. Seine Praxis fokussiert sich auf Prozessführung (staatliche und Schiedsgerichtsbarkeit) wie auch auf regulatory (Umwelt, Energie, Vergabe).